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Sprachvariation und Alter | 79
Andersaltrigen auĂerhalb der Institutionen ist als stĂ€rker dialektal geprĂ€gt ein-
zustufen. Innerhalb der Familie wird idealtypisch der ortsĂŒbliche sĂŒdbairische
Dialekt gesprochen, die Kommunikation ist direkter und weniger kontrolliert
und dient v.a. dem Herstellen bzw. BestÀtigen von Vertrautheit und dem zwi-
schenmenschlichen Austausch. Auch innergenerationell110 â also in der Kom-
munikation mit Familienmitgliedern gleichen Alters und Freunden â gilt der
Dialekt als unmarkierter Sprachgebrauch, als âNormallageâ nach Kallmeyer
(1994). Die Kommunikation ist durch eine assoziative, variantenreiche, expres-
sive, kompetitive, lÀssige, teilweise aber auch grobe oder obszöne Sprechweise
gekennzeichnet, die unterhalten soll, aber auch zur IdentitÀtsbildung beitrÀgt.111
Um die Unterhaltungswirkung zu erzielen, schöpfen die Jugendlichen aus area-
len VarietÀten, Fremdsprachen, massenmedialen Sprech- bzw. Schreibweisen,
aus spezifischen Kommunikationsformen der Neuen Medien, und sie verwen-
den Funktional- und Gruppenstile sowie subkulturelle Stile. Der in Untersu-
chungen zum Sprachgebrauch bundesdeutscher Jugendlicher festgestellte Ge-
brauch ethnolektaler Sprechweisen findet auch bei den Jugendlichen Osttirols
vereinzelt statt, ist jedoch aufgrund des kaum vorhandenen Kontakts mit Mig-
ranten112 als Ausdruck eines massenmedial vermittelten, so genannten âtertiĂ€-
ren Ethnolektsâ (Auer 2003; 2013b) zu werten.113 Ein weiterer zentraler Unter-
schied zu den Gegebenheiten in Deutschland besteht im VerhÀltnis von
StandardvarietÀt und Dialekt im Sprachgebrauch der Jugendlichen. WÀhrend in
||
lerinternem Austausch wÀhrend des Unterrichts oder PausengesprÀchen unterscheidet sich
sowohl in der Form der Sprachmittel als auch in der kommunikativen Funktion stark von der
meist fremdbestimmten, normgebundenen Hauptkommunikation (vgl. Neuland 2008: 166).
110 Zur Unterscheidung von inner- vs. intergenerationeller und inner- vs. auĂerfamiliĂ€rer
Kommunikation vgl. Kapitel 3.1.1.
111 Beispiele fĂŒr die verschiedenen Funktionen jugendsprachlicher Besonderheiten im kom-
munikativen Kontext sind in den empirischen Analysen in Kapitel 4 zu finden.
112 Ein Einfluss auf die Jugendkommunikation durch direkten Sprachkontakt mit Migranten-
sprachen kann aufgrund der niedrigen Migrationsrate in Osttirol weitgehend ausgeschlossen
werden. Insgesamt wies der Bezirk Osttirol zum Zeitpunkt der GesprÀchsaufnahmen tirolweit
den geringsten Anteil an AuslÀnder/-innen (3,5 %) in der Bevölkerung auf (vgl. Demographi-
sche Daten Tirol des Amtes der Tiroler Landesregierung fĂŒr Raumordnung-Statistik 2010: 18
und 22). Im Vergleich mit dem Bundesland Tirol bzw. anderen BundeslÀndern handelt es sich
hier um einen Ă€uĂerst niedrigen Wert: FĂŒr das Bundesland Tirol ist ein durchschnittlicher
AuslĂ€nderanteil von 10% und fĂŒr das Bundesland Wien ein durchschnittlicher AuslĂ€nderanteil
von 19% dokumentiert worden, wobei einige Wiener Bezirke ĂŒber 25% AuslĂ€nderanteil aufwei-
sen (vgl. die Angaben zum Bevölkerungsstand der Statistik Austria 2007).
113 Zur nÀheren Auseinandersetzung mit Auers Einteilung ethnolektaler Sprechweisen in
einen primÀren, sekundÀren und tertiÀren Ethnolekt sei auf Kapitel 4.4.1. verwiesen.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute