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Sprachvariation und gesprochene Sprache | 91
Diese Vorschläge zur Beantwortung der Frage, was als Grundeinheit gespro-
chener Sprache angenommen werden kann, orientieren sich an verschiedenen
Dimensionen sprachlicher Äußerungen – der prosodischen (vgl. b.), der kom-
munikativ-pragmatischen (vgl. z.B. a., d., e.), der interaktionalen (vgl. h., j., l.)
oder der syntaktischen Dimension (vgl. z.B. c., g.), oder bestimmen die Grund-
einheiten gesprochener Sprache im Sinne einer Mischkategorie, die mehrere
Ebenen vereint (vgl. f.). Dabei können zwei in der rezenten Gesprochene-
Sprache-Forschung besonders einflussreiche linguistische Strömungen hervor-
gehoben werden: Ansätze der Interaktionalen Linguistik und Ansätze der Kon-
struktionsgrammatik. Sie sollen nachfolgend näher beleuchtet werden – v.a.
mit Blick auf die Frage, wie sich Grundeinheiten gesprochener Sprache gram-
matiktheoretisch konzeptualisieren lassen, und welche Rolle die Kategorie Satz
dabei spielt.
3.2.2.1 Interaktionale Linguistik
Die Interaktionale Linguistik (IL) hat zum Ziel, vorwiegend dialogische124 verba-
le Ă„uĂźerungs-formen linguistisch zu beschreiben und dabei die Grundbedin-
gungen der verbalen Interaktion zu berĂĽcksichtigen. Sie basiert sowohl in theo-
retischer als auch in methodischer Hinsicht auf der amerikanischen
Conversation Analysis125 (vgl. Sacks 1971; Sacks/Schegloff/Jefferson 1974; Berg-
mann 1994). Zunächst widmeten sich im deutschsprachigen Raum eher Sozio-
logen der (u.a. auch sprachlichen) Interaktion. Doch auch aus soziolinguisti-
scher Perspektive und in der Frage nach syntaktischen und prosodischen
Strukturen in Gesprächen fand eine immer stärkere Orientierung an konversati-
ons-analytischen Ansätzen mit starkem Empiriebezug statt. Das Hauptinteresse
der Vertreter der IL (vgl. Couper-Kuhlen/Selting 2000; 2001; GĂĽnthner/Imo
2006; Selting 2008; Barth-Weingarten 2008) gilt dabei authentischen Alltagsge-
sprächen, wobei die Interaktionale Linguistik als eine Schnittstelle zwischen
linguistischer Forschung und soziologisch orientierter Konversationsanalyse
||
124 Zur Polysemie der Begriffe Dialog, Konversation und Diskurs sei auf die AusfĂĽhrungen bei
Imo (2013: 28) verwiesen. V.a. die Rede vom Diskurs ist hinsichtlich seiner verschiedenen theo-
retischen Ausrichtungen hochgradig missverständlich – so sind etwa die Foucault’sche Auf-
fassung von Diskurs und die kritische Diskursanalyse soziologisch ausgerichtet. Innerhalb der
Linguistik hat sich die Diskursanalyse im Rahmen der Funktionalen Pragmatik (vgl. Ehlich
1996; 2006; Rehbein 2001; Redder 2008; Nähere Informationen in Kapitel 3.2.2.3) im deutsch-
sprachigen Raum in einer eigenen Traditionslinie fortgesetzt (vgl. Imo 2013: 30).
125 FĂĽr einen Ăśberblick ĂĽber Grundannahmen und Methoden der (ethnomethodologischen)
Konversationsanalyse vgl. Day/Wagner (2008) und Stukenbrock (2013: 223).
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Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute