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92 | Theoretische Voraussetzungen
verstanden werden will, die linguistische Strukturen und deren kommunikativ-
interaktionale Bedingtheit analysiert (vgl. Couper-Kuhlen/Selting 2000). Zentra-
le Charakteristika der dialogischen Sprache-in-Interaktion sind ihre Raum- und
Zeitgebundenheit (Sprecher und Hörer befinden sich am selben Ort, Sprachpro-
duktion und -rezeption erfolgen gleichzeitig), Rederecht und Rollen der Ge-
sprÀchsteilnehmer/-innen sind nicht vorab zugewiesen, sondern RedebeitrÀge
werden interaktiv gestaltet, Bedeutungen situations- und kontextabhÀngig (re-
und ko-) konstruiert. Der linguistischen Auseinandersetzung mit diesem inter-
aktionalen Sprachgebrauch liegen vier Prinzipien zugrunde, die es nach Linell
(1998: 85) zu berĂŒcksichtigen gilt (vgl. auch Imo 2013: 6162):126 Als ĂŒbergeordne-
tes Prinzip ist ReflexivitĂ€t zu nennen. Sie bezeichnet den Umstand, âthat two
orders of phenomena are intrinsically related, so that one of them is conceptual-
ly implicated by the other, and vice versaâ (Linell 1998: 84). ReflexivitĂ€t bezieht
sich dabei nicht nur auf verbale PhĂ€nomene, sondern âzieht sich durch alle
Ebenen eines GesprĂ€chsâ (Imo 2013: 61). Dies zeigt sich etwa im Zusammenspiel
der prosodischen Gestaltung auf paraverbaler Ebene mit kommunikativen Gat-
tungen127. So wird beim Witze-ErzÀhlen eine gewisse prosodische Ausgestaltung
der verbalisierten Inhalte erwartet (z.B. smile voice), gleichzeitig ist sie aber
auch Teil der Kontextualisierung. Als zentrale Unterprinzipien der ReflexivitÀt
kommen Linell (1998) zufolge folgende Aspekte zum Tragen: SequenzialitÀt,
Joint Construction und Kontextgebundenheit. Mit der SequenzialitÀt ist der Um-
stand angesprochen, dass die Interpretation der ĂuĂerung von ihrer Position in
der GesprÀchs- und Handlungssequenz abhÀngig ist und ein Redebeitrag auch
selbst wieder Teil der sequentiellen Rahmung nachfolgender ĂuĂerungen ist.128
Daraus folgt, dass âone can never fully understand an utterance or an extract, if
it is taken out of the sequence which provides its contextâ (Linell 1998: 85). Das
zweite Unterprinzip dialogisch-interaktionaler Sprache, die Joint Construction,
unterstreicht die zentrale Rolle des gemeinsamen Hervorbringens von Bedeu-
tung und Struktur (Ko-Autorschaft, Ko-Konstruktionen). Als letztes fundamen-
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126 Diese vier Prinzipien der interaktional-dialogischen Perspektive auf Sprache sind nicht
nur im Rahmen der Konversationsanalyse und der Interaktionalen Linguistik, sondern auch in
anderen AnsÀtzen wie der GesprÀchsanalyse oder der angewandten GesprÀchsforschung zent-
ral. Eine nÀhere Beschreibung dieser und weiterer AnsÀtze der Auseinandersetzung mit ge-
sprochener Sprache und weiterfĂŒhrende Literatur findet sich in Imo (2013, 5960 und 7188).
127 Zu Theorie und Analyse kommunikativer Gattungen vgl. u.a. Luckmann (1992), Berg-
mann/Luckmann (1995) und GĂŒnthner (2000).
128 In der Konversationsanalyse wurde dies etwa durch die Analyse von Paarsequenzen
(adjacency pairs) gezeigt: In Frage-Antwort-Sequenzen strukturiert etwa die Frage als erstes
Element der Paarsequenz die Antwort als zweites erwartbares Element vor.
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Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute