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118 | Theoretische Voraussetzungen
3.3.2.1 Prosodie, Syntax und Lexik als Kriterien zur Segmentierung
Ausgangspunkt der Segmentierung ist die Auffassung von GesprÀchen als Zu-
sammenspiel mehrerer Turns (RedebeitrÀge; vgl. Kapitel 3.2.2.1. und 3.2.3.). Der
Begriff des Turns geht auf Sacks/Schegloff/Jefferson (1974) zurĂŒck, die in ihrer
Publikation âA Simplest Systematics for the Organization of Turn Taking for
Conversationâ Ăberlegungen zur Konstitution einzelner RedebeitrĂ€ge anstellen
und RegularitÀten des Turn-Taking (des Wechsels von RedebeitrÀgen bzw. der
Verteilung des Rederechts) beschreiben. Ein Turn kann auf zweierlei Arten be-
grenzt werden: erstens, indem der Sprecher bzw. die Sprecherin durch eine/n
GesprĂ€chspartner/in unterbrochen wird, sodass er bzw. sie die ĂuĂerung ab-
brechen muss.164 Die zweite Möglichkeit der Begrenzung eines Turns besteht im
Abschluss eines Redebeitrags durch seine prosodische Gestaltung. Wird der
Turn eines Sprechers/einer Sprecherin nicht unterbrochen und besteht er aus
mindestens einem Tonhöhenakzent (Nukleus-, PrimÀr- bzw. Fokusakzent)165
und einem kohĂ€siven Intonationsverlauf, kann der ĂuĂerungsabschnitt als eine
vollstÀndige Intonationsphrase166 angesehen werden. Phonetisch realisiert wird
dieser PrimÀrakzent weniger durch LautstÀrke, als vielmehr durch den Intona-
tionsverlauf und eine gröĂere Dauer der Silbe. Bergmann (2013) fasst dies wie
folgt zusammen:
Tonhöhenbewegungen auf akzentuierten Silben sowie TonhöhensprĂŒnge (nach oben oder
unten) zu akzentuierten Silben kennzeichnen Akzente auf der Satzebene; sie werden als
Tonhöhenakzente (engl. pitch accent) bezeichnet. (Bergmann 2013: 81; Hervorhebung im
Original)
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164 Dann entsteht eine Anakoluthform (zur nÀheren Beschreibung siehe unten). An dieser
Stelle sei bereits darauf hingewiesen, dass der Terminus Anakoluth als skriptizistisch geprÀgter
Begriff in der Linguistik mittlerweile als problematisch angesehen wird. NĂ€heres zu dieser
begrifflichen Kritik findet sich z.B. bei Hennig (2006: 160166).
165 Vgl. die Definition bei Selting et al. (2009: 370): âEine Intonationsphrase enthĂ€lt obligato-
risch mindestens eine akzentuierte Silbe, d.h. eine Silbe, die durch eine Intonationsbewegung
und/oder LautstÀrke und/oder LÀnge phonetisch hervorgehoben wird und die semantische
Bedeutung der ĂuĂerung maĂgeblich bestimmt. Dieser semantisch-pragmatisch relevanteste
Tonhöhenakzent wird hier Fokusakzent genannt.â
166 Die Intonationsphrase selbst ist freilich nicht die kleinste segmentierbare Einheit in ge-
sprochener Sprache. Sie enthÀlt verschiedene Laute, deren Strukturierung durch einzelne
prosodische DomÀnen beschrieben werden kann: So besteht jede Intonationsphrase aus einer
phonologischen Phrase, die klitische Gruppen enthÀlt, die wiederum aus phonologischen
Wörtern bestehen, die sich ihrerseits aus FĂŒĂen und Silben konstituieren (vgl. Nespor/Vogel
2007; Bergmann 2013: 72). Mit diesen prosodischen Konstituenten beschÀftigt sich die Subdis-
ziplin der prosodischen Phonologie.
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Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute