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Prosodisch integrierte Nachlaufelemente können dabei auch in Kombinati-
on mit nachfolgenden klitischen Intonationsphrasen vorkommen, wie Beispiel
(9) zeigt:
Beispiel 9: wenn amol zu ZWEIT gehsch oder so; =ge- [ED 1, Z. 727ff.]
'Wenn [du] einmal zu zweit gehst oder so; ge-'
Der Nachlauf des Nukleus (der Primärakzent liegt auf ZWEIT) wird mit oder so
abgeschlossen, die Intonation ist fallend. Der unabhängigen Intonationsphrase
folgt eine klitische Intonationsphrase in Form der Gesprächspartikel ge.
Dass Nachlaufelemente wie oder so aber auch als eigenständige Intonati-
onsphrasen realisiert werden können, zeigt folgendes Beispiel:
Beispiel 10: do tuasch anfoch amol SO- (-) oder SO- [JD 6-2, Z.157f.]
'Da tust [du] einfach einmal so- Oder so-'
Im Unterschied zu Beispiel (9) bildet oder so hier eine unabhängige Phrase mit
einer eigenen nuklearen Akzentsilbe (auf SO).
Über die prosodische und lexikalische Indizierung von Äußerungsgrenzen
hinaus ist auch die Projektionskraft syntaktischer Konstruktionen, d.h. „die
Orientierung an möglichen Endpunkten von Konstruktionen, insbesondere des
möglichen Satzes“ (Stein 2003: 228) eine wichtige Komponente, wenn Spre-
cher/-innen bzw. Hörer/-innen Äußerungen als zusammengehörig wahrneh-
men. Der Begriff der Projektion hat sich in den letzten Jahren in der Gesproche-
ne-Sprache-Forschung als wichtiger Ausgangspunkt zur Abgrenzung von
Einheitentypen etabliert – so bauen etwa Peter Auer (2000; 2005; 2006; 2009),
Mathilde Hennig (2006) und Susanne Günthner (2011b) ihre Konzeption der
Einheitenbildung auf die Beschreibung projektierender Kräfte auf.177
In seinem Aufsatz „Vergleichbares und Unvergleichbares bei mündlichen
und schriftlichen Texten“ (2010) bezeichnet Johannes Schwitalla den Zeitfaktor
in gesprochener Sprache als zentralen Faktor im Kontrast zur geschriebenen
Sprache:
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177 Bereits bei Sacks/Schegloff/Jefferson (1974: 701) wird die Projektierbarkeit als Kriterium
zur Festlegung der Endpunkte von Redeeinheiten, so genannten „turn-constructional units“,
genannt. Demnach haben die Konstruktionen „points of possible completion, points which are
projectable before their occurence“ (720). An diesen Endpunkten finden sich nach
Sacks/Schegloff/Jefferson “transition relevance places” (714), also Punkte im Gesprächsver-
lauf, an denen ein Sprecherwechsel stattfinden kann, oder an denen der/die selbe Sprecher/-in
eine neue turn-constructional unit beginnt.
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Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute