Seite - 140 - in Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
Bild der Seite - 140 -
Text der Seite - 140 -
140 | Theoretische Voraussetzungen
zitgedanken transportiert.191 Um der hohen Frequenz und funktionalen Breite
elliptischer Konstruktionen in gesprochener Sprache gerecht(er) zu werden,
sollen daher in der vorliegenden Arbeit Intonationsphrasen wie die oben ge-
nannten nicht als Ellipsen, sondern als kompakte Strukturen bezeichnet werden.
Sie definieren sich dadurch, dass sie â ohne ein finites Verb als ValenztrĂ€ger
und alle damit einhergehenden Valenzaktanten zu enthalten â eine abgeschlos-
sene prosodische Einheit darstellen sowie kommunikativ vollstÀndig und ver-
stehbar sind.192 Die Kommunikationsteilnehmer/-innen können einerseits syn-
taktische Projektionen aus VorgĂ€ngerĂ€uĂerungen weiterverwenden bzw.
ausbauen â dies ist in Z. 21 der Fall (âWer jetzt?â â âWer ist jetzt ein Junkie?â).
Sie können andererseits aber auch kommunikativ vollstÀndige Einheiten bil-
den, die nicht auf einen sprachlichen Kontext zurĂŒckgreifen. So findet sich in
Z. 22 (âNimmer normalâ) eine Intonationsphrase, die nicht in syntaktischer,
sondern lediglich in inhaltlicher Hinsicht einen Bezug zur vorangegangenen
ĂuĂerung darstellt. Egal, ob es sich um sprachlich âkontextkontrollierteâ (vgl.
Klein 1993) âKonstruktionsĂŒbernahmenâ (vgl. Rath 1979: 143) oder vom sprach-
lichen Kontext unabhĂ€ngige âEigenkonstruktionenâ handelt â diese kompakten
Strukturen mĂŒssen nicht syntaktisch vollstĂ€ndig sein, um kommunikativ als
eigenstĂ€ndige Einheiten zu fungieren. Ăber die grammatiktheoretische Ausei-
nandersetzung mit diesem âSchwergewichtâ der Grammatikforschung, dem
Vorkommen kompakter Strukturen in den untersuchten Korpora und ihrer for-
malen und funktionalen Beschreibung soll in Kapitel 4.4. nÀher eingegangen
werden.193 In diesem Abschnitt liegt zunÀchst der Fokus auf der Differenzierung
der Einheitentypen untereinander. DiesbezĂŒglich kann mit Hennig (2006: 271)
zusammengefasst werden, dass kompakte Strukturen (KomS) folgende Eigen-
schaften kennzeichnen:
||
191 Der Begriff Ellipse ist auf griech. elleĂpsis mit der Bedeutung âdas Fehlen, die Aussparungâ
zurĂŒckzufĂŒhren (vgl. Kluge 2002: 34).
192 Eine Diskussion der Frage, ab wann eine ĂuĂerung als kommunikativ vollstĂ€ndig zu
werten ist, inwieweit sich die WissensbestĂ€nde der Kommunikationsteilnehmer dafĂŒr decken
mĂŒssen und wie Linguisten diese VorgĂ€nge im Detail beschreiben können, kann an dieser
Stelle nicht geleistet werden. Es sei hier lediglich darauf hingewiesen, dass die kompakten
Strukturen unter BerĂŒcksichtigung ihres Kontextes â sowohl des sprachlichen als auch des
nicht-sprachlichen â analysiert werden mĂŒssen. FĂŒr weiterfĂŒhrende Informationen sei u. a. auf
die AusfĂŒhrungen in Rath (1979: 140), Zifonun et al. (1997: 410) und Redder (2006) verwiesen.
193 Einen guten Ăberblick ĂŒber den aktuellen Stand der Ellipsenforschung bietet auch der
Sammelband von Marillier/Vargas (2016); dazu vergleiche man u.a. die Einleitung (vgl. Maril-
lier 2016a: VIII-XVIII) und die zusammenfassende Darstellung bei Baldauf-Quilliatre (2016:
203207).
zurĂŒck zum
Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute