Seite - 438 - in Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
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438 | Fazit
Die Realisierung standardgrammatisch nicht akzeptierter tun-Periphrasen
mit Nachstellung des Vollverbs bildet einen Forschungsgegenstand, in dem
altersgebundene Variation mit diatopischer Variation zusammentrifft: In Bezug
auf den Faktor Alter zeigte sich dabei v.a. die Rolle der tun-Periphrase in der
Bildung von Konjunktiv-II-Formen relevant. Während im Indikativ keine nen-
nenswerten Unterschiede zwischen den Altersgruppen festzustellen waren, ist
bei den Osttiroler Jugendlichen ein signifikant höheres Vorkommen des peri-
phrastischen täte-Konjunktivs festzustellen, was interessanterweise rezenten
Ergebnissen zur Konjunktiv-II-Bildung bei Wiener Jugendlichen entgegensteht,
die eine Bevorzugung des wĂĽrde-Konjunktivs belegen (vgl. Glauninger 2008).
Des Weiteren wurden möglicherweise bestehende altersgebundene Unter-
schiede in der Serialisierung des Verbalkomplexes in Verbzweitsätzen (z.B. er
hat müssen arbeiten) und in Verbletztsätzen (z.B. …, dass er hat müssen arbei-
ten) untersucht. Für erstere konnte eine erhöhte Variabilität in den Osttiroler
Freundesgesprächen v.a. im Modalverbkomplex festgestellt werden. Als ju-
gendpräferentiell signifikant häufiger ist dabei die standardkonforme II-I-
Abfolge festzuhalten – anders, als dies Patocka noch (1997) mit Blick auf öster-
reichische Sprecher/-innen beschrieben hatte. Auch fĂĽr Verbletztkonstruktio-
nen konnte im Vergleich zu den erwachsenen Osttiroler/-innen eine Tendenz
der Jugendlichen zu standardkonformen Abfolgevarianten festgestellt werden,
fĂĽr die allerdings aufgrund der geringen Beleglage keine statistische Signifikanz
nachgewiesen werden konnte. Gemeinsam mit den Ergebnissen zur tun-
Periphrase scheinen die Ergebnisse zur Serialisierung im Verbal-komplex je-
doch auf verstärkte Klammerausbauprozesse in der Jugendkommunikation
hinzudeuten (vgl. Kapitel 4.3.3.4).
Als dritter GroĂźbereich syntaktischer Variation wurden Ă„uĂźerungen be-
leuchtet, die eine gewisse „Kompaktheit“ kennzeichnet, nämlich Konstruktio-
nen, in denen entweder Präposition (und Artikel) (z.B. Letztes Jahr war er Ame-
rika.), ein Verbum dicendi als Zitatmarker (z.B. Ich so: Ja, das war eine
Rauschaktion.) oder das Personalpronomenen (z.B. Gehsch mit uns ins Kino?)
nicht realisiert wurden. Phänomene dieser Art wurden bisher in der Jugend-
sprachforschung u.a. mit Bezug auf Migrantenjugendliche beschrieben (v.a. der
Wegfall von Präposition und Artikel, vgl. z.B. Auer 2013; Siegel 2014). In allen
drei Bereichen konnte auch in Bezug auf Jugendliche aus Osttirol ohne Migrati-
onshintergrund eine Alterspräferenz festgestellt werden – allerdings ausgelöst
durch mitunter völlig andere Faktoren. Der Präpositions-Wegfall kommt näm-
lich in Osttirol – wenn auch signifikant seltener – auch unter Erwachsenen vor,
was diatopisch (unter dem Einfluss des Slowenischen auf das SĂĽdbairische in
Kärnten und Osttirol) begründet ist. Und auch das Nicht-Realisieren des Perso-
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Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute