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118 derbare Gestalten gebildet, in welchen eine lebhafte Einbildungskraft Dra-
chen-, Schlangen-, Löwen- und Tigerköpfe, zum Theil auch menschliche
Körpertheile von ungeheurer und verzerrter Form und grässlichem Ansehen,
zu erblicken glaubt. Einige davon haben in der That eine auffallende Aehn-
lichkeit mit ihren Urbildern.“121
Sommer schildert dann die Bildung der Stalaktiten und Stalagmiten, durch
„Tropfsteinwasser“, das die „Steinzapfen“ durch Herabtröpfeln von der De-
cke der Höhle „auf ähnliche Weise wie die Eiszapfen im Winter an den Dä-
chern“122 bilde, erörtert das Zustandekommen der verschiedenen Formen,
Farben und Durchsichtigkeitsgrade des Tropfsteins und kommt dann noch-
mals auf die Adelsberger Grotte zu sprechen, die seinen Kriterien zufolge
sowohl als Tropfstein- wie auch als Wasserhöhle kategorisiert werden kann:
„Der Fluß Poik stürzt sich nicht weit von ihrem Eingange in den Felsen hin-
ein, läuft eine große Strecke in der Tiefe der Höhle fort, bildet selbst einige
Wasserfälle, die ein donnerähnliches Getöse verursachen, und kommt darauf
bei Planina wieder an das Tageslicht. Außer diesem Flusse Poik finden sich
indeß noch einige andere Wasserströme in der Höhle. Merkwürdig sind zwei
natürliche Brücken, vermuthlich durch von oben herabgestürzte Felsenstücke
entstanden, die sich dann queerüber gestemmt haben. Sie erleichtern das Be-
gehen der Höhle, weil man ohne sie schwerlich die schaudervollen Abgründe
überschreiten könnte, in deren Tiefe sich jene großen Wasserströme hinwäl-
zen. In dem Wasser unter der ersten dieser Brücken, unweit vom Eingange
der Höhle, hat man wohlschmeckende Fische gefangen. Die zweite soll tief
im Innern auf eine Meile weit vom Eingange sich befinden, und man blickt
auf ihr zu beiden Seiten in schwindelerregende Abgründe hinab, die noch
gänzlich unbekannt sind. Die Führer haben die Gewohnheit, einige Bund
Stroh auf den Wänden der letztern Brücke anzuzünden. Dadurch entsteht die
schauerlichste Beleuchtung des hohen Gewölbes, der zahllosen Tropfstein-
Figuren in der Nähe und Ferne, und der Tiefe zunächst unter der Brücke.
Nach einer Weile stürzt man den brennenden Haufen hinab in den Strom und
sieht nun auch den gräßlichen auf 100 Klaftern geschätzten Abgrund erleuch-
tet.“123
Die dramatische Inszenierung mit brennenden Strohbündeln mag das ihre
dazu beigetragen haben, dass die Schluchten und Abgründe der Höhle und
121 Sommer, Gemälde der physischen Welt, Bd. 2, S. 242.
122 Sommer, Gemälde der physischen Welt, Bd. 2, S. 243. Zur Tropfsteinbildung und zu
weiteren Besonderheiten der Karsthöhlen sowie zur Höhlenforschung allgemein vgl.
Kempe, Rosendahl, Höhlen.
123 Sommer, Gemälde der physischen Welt, Bd. 2, S. 245f.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832