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Gegenteil, sie fand in der Postojnska jama ein Refugium, das ihr das Überle-
ben über gewaltige erdgeschichtliche Zeiträume hinweg ermöglichte: „Dort
schwimmt der Grottenolm, ein lebendes Fossil, das es nur im Postojna-
Becken gibt. Sein wissenschaftlicher Name ist ‚Proteus anguinus‘, und lange
Zeit wurde geargwöhnt, es handele sich bei ihm um einen Miniaturdrachen.
[…] Nicht selten erreicht er das biblische Alter von über 100 Jahren, er ver-
mehrt sich teils durch Eier und teils durch Lebendgeburten.“130 Raimann
berichtete allerdings auch nichts von diesem lebenden Fossil; nach der Be-
sichtigung der Adelsberger Grotte nächtigte man in Adelsberg und verließ
am folgenden Tag, dem 23. Mai, diese Ortschaft, überschritt zwischen den
Poststationen Prewald/Razdrto und Sessana/Sežana die Grenze des Herzog-
tums Krain zur gefürsteten Grafschaft Görz und Gradisca und traf um 11.30
Uhr in der Stadt Triest/Trieste ein.
Bei Sessana besuchte Raimann eine „Contumaz-Anstalt gegen die Einfüh-
rung der Cholera“, in der aus von der Cholera heimgesuchten Regionen an-
kommende Reisende unter Quarantäne gehalten wurden; die Seuche warf
ihren Schatten bis an die Küsten der Adria. Der Anblick der vom Wind ge-
krümmten Bäume erstaunte ihn, als wahrhaft beglückend aber empfand
Raimann den Anblick der Stadt Triest und ihres mit Schiffen gefüllten Ha-
fens. Diese Aussicht rührte ihn so, dass sie „nach vorübergehender Beklom-
menheit der Brust mich fast zu Thränen brachte“. Das in der Sonne schim-
mernde Meer, ferne im Westen die Alpen, im Hafen die vielen Handelsschif-
fe aus verschiedensten Ländern mit ihren bunten Fahnen – das muss, nach all
dem Regenwetter, Postkutschenrumpeln und Höhlenwandern, wahrlich Au-
ge und Herz erfreut haben. Raimann wurde alsbald von Honoratioren der
Stadt aufgesucht; ein gewisser Dr. von Petrovitsch oder Petrovich – die
Schreibweise dieses Namens variiert in Raimanns Bericht – machte ihn mit
den „Einrichtungen des See-Sanitätswesens, insbesondere mit der ganzen
Manipulation“, also mit Untersuchungen und Quarantäne-Maßnahmen be-
kannt, die die Mannschaften der Schiffe, die unter dem Verdacht standen,
Seuchen wie die Pest einzuschleppen, über sich ergehen lassen mussten. In
den „Contumaz-Häusern“ befanden sich Lazarette und geräumige, aber of-
fenbar doch zu wenig Kapazität aufweisende Warenlager, in welchen Seu-
chengefahr mit sich bringende Menschen und Waren eine Zeit lang aushar-
ren mussten. Nachdem die „Contumaz-Anstalt“ inspiziert worden war, ver-
brachte Raimann den Abend im „schönen, elyptisch geformten, und an Brei-
130 Baedeker Slowenien, S. 261.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832