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te, im katholisch-absolutistischen Ăsterreich massiv unterstĂŒtzt von der Kir-
che, die Menschen mittels AufklÀrung, Bildung und militÀrischer Erziehung
auf Kurs zu bringen. In FÀllen, wo die Mittel der aufklÀrerischen Vernunft
und des relativ sanften Zwangs nicht helfen wollten, erhöhte der Staat den
Druck, versuchte mit Hilfe der Polizei die Dinge in seinem Sinne zu ord-
nen147 und stigmatisierte Individuen und bisweilen ganze Bevölkerungs-
gruppen (wie z.B. die âZigeunerâ148 bzw. Nichtsesshafte und âLandstreicherâ
ĂŒberhaupt) als Deviante, Degenerierte oder gar Kriminelle. Nachdem diese
Gruppen von âStaatsschĂ€dlingenâ erst einmal bezeichnet waren, konnte der
Staat daran gehen, sie in den Griff zu bekommen, wobei aber nicht bloĂ an
Bestrafen und Wegsperren gedacht wurde:
âGegen diese Bedrohung ging der Staat des spĂ€ten 18. und frĂŒhen 19. Jahr-
hunderts nicht nur repressiv vor. Eine umfassende PrÀvention sollte Devianz
bereits in ihren AnsÀtzen bekÀmpfen und zum Entstehen einer konflikt- und
verbrechensfreien bĂŒrgerlichen Gesellschaft beitragen. Ein wichtiges Element
dieser PrÀvention war die Erziehung und moralische Bildung der Bevölke-
rung, aber auch die Abwehr von Anreizen zu AmoralitÀt und Unsittlich-
keit.â149
Der Staat arbeitete also mit repressiven Mitteln wie mit dem Aufbau eines
effizienten Strafrechts- und Strafvollzugssystems ebenso wie mit adhortati-
ven Mitteln wie Bildung und Zivilisierung, die fĂŒr die Bevölkerung auch die
Möglichkeit mit sich brachten, sozial und wirtschaftlich aufzusteigen. So
wurde der Prozess der Modernisierung, der durch die industrielle Revolution
und durch diverse politische Revolutionen noch verstÀrkt werden sollte,
gleichsam von oben her in Gang gesetzt. Dass dabei auch fĂŒr die Obrigkeit
WidersprĂŒchlichkeiten und Konflikte prinzipieller Natur nicht ausblieben,
wurde bereits weiter oben im Zusammenhang mit dem Ausbau des StraĂen-
netzes erörtert. Das bessere StraĂennetz ermöglichte zwar dem Staat eine
effizientere Verwaltung und schnellere Truppenverschiebungen, erleichterte
147 Zur Polizei in Ăsterreich zur Zeit des VormĂ€rz vgl. Helmut Gebhardt, Die Grazer
Polizei 1786-1850. Ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Sicherheitswesens
im aufgeklÀrten Absolutismus und im VormÀrz (Graz 1992).
148 Zum einerseits romantisierenden, andererseits kriminalisierenden Bild von den âZi-
geunernâ vgl. Gerhard Baumgartner, Tayfun Belgin (Hrsg.), Roma & Sinti. âZigeuner-
Darstellungenâ in der Moderne. Ausstellungskatalog (Wien 2007).
149 Peter Becker, Physiognomie aus kriminologischer Sicht. Von Lavater und Lichten-
berg bis Lombroso und A. Baer, in: Gert Theile (Hrsg.), Anthropometrie. Zur Vorge-
schichte des Menschen nach MaĂ (MĂŒnchen 2005), S. 93-124, 93.
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832