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aussah, so muss man sich den Alltag im Innsbrucker Zuchthaus, das auch
baulich recht ähnlich gestaltet war, vor Augen führen:176 Das erste Diszipli-
nierungsmittel war die Arbeit: „Die Freizeit und das einstige ‚Privatleben‘
der Häftlinge wurde damit den Prinzipien der Ordnung, Moralität und Ar-
beitsamkeit geopfert, der Versuch unternommen, den Gefangenen gleichsam
‚zu zähmen‘.“177 Und so wurden die in eine spezielle Anstaltskleidung
gesteckten Gefangenen, die männlichen zumindest, zu Steinbrucharbeiten
und zum Bau von Wegen und Uferschutz verwendet, und sollte dafür kein
Bedarf sein, so mussten sie Holz hacken und tragen und das Zuchthaus oder
auch die Gassen säubern. Bei allen Arbeiten außerhalb der Anstalt wurde sie
selbstverständlich von Militärwachen oder sogenannten Prügelknechten
strengstens bewacht. Auch das Raspeln von Horn und Farbholz gehörte zu
den Aufgaben der Männer. Den Frauen oblag das Spinnen und Weben. Im
frühen 19. Jahrhundert wurde die Palette der Arbeiten erweitert: „Die männ-
lichen und weiblichen Sträflinge arbeiteten nunmehr in der Baumwoll-,
Schafwoll- und Leinenmanufaktur. Daneben gab es jedoch auch die Schnei-
derei, Schusterei, Tischlerei, Spenglerei etc. Es wurden sogar Uhren, Fern-
rohre und Schatullen verfertigt.“178 Gewiss, der Müßiggang ist aller Laster
Anfang, und so musste man die Sträflinge zum Behufe ihrer Veredelung
stets auf Trab halten. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts aber war der
Staat zusehends weniger auf Erziehung und Besserung der Delinquenten
ausgerichtet, nun versuchte man in zunehmend kapitalistischer Manier wenn
schon keinen Gewinn aus der Arbeit der Sträflinge zu schlagen, so doch
wenigstens die durch ihre Unterbringung entstehenden Kosten zu minimie-
ren: „Um die Arbeitsleistung der Inhaftierten maximal auszubeuten und den
staatlichen Zuschuss auf ein Minimum zu reduzieren, wurde spätestens in
den 1840er Jahren die Arbeitskraft der Arrestanten per öffentlicher Verstei-
gerung verpachtet.“179 Minimieren konnte man die Kosten aber auch, indem
man bei dem den Sträflingen gereichten Essen sparte. Die Kost war recht
eintönig; im 19. Jahrhundert „gab es dreimal wöchentlich Hülsenfrüchte und
176 Eine Schilderung von Architektur, Geschichte und Betrieb des Innsbrucker Gefäng-
nisses bieten: Gerhard Ammerer, Alfred Stefan Weiß, „Jede Besserung … ist dem Staate
nützlich“. Das Innsbrucker Zucht-, Arbeits- und Strafhaus 1725-1859, in: Gerhard Am-
merer, Alfred Stefan Weiß (Hrsg.), Strafe, Disziplin und Besserung. Österreichische
Zucht- und Arbeitshäuser von 1750 bis 1850 (Frankfurt/Main u.a. 2006), S. 97-129.
177 Ammerer, Weiß, „Jede Besserung … ist dem Staate nützlich“, S. 109.
178 Ammerer, Weiß, „Jede Besserung … ist dem Staate nützlich“, S. 114.
179 Ammerer, Weiß, „Jede Besserung … ist dem Staate nützlich“, S. 114.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832