Seite - 171 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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âSitten: Hinderhaltig. Natur Und Eigenschaft: Eifersichtig. Verstand: scharff-
sinig. AnzeĂŒgung deren Eigenschaften: Wie iederwill. Wissen-schaft: In
Geistlichen Rechte. Tracht Der Klaidung: Ehrsam. Untugent: Geilsichtig;
Lieben: Das Gold. Krankheiten: An bösser seuch. Ihr Land: Ergözlich und
Wohllistig; Krigs Tugente: Firsichtig. Gottesdienst: Etwas besser. Erkennen
fĂŒr Ihren Herrn: einen BĂ€terĂ€rch. Haben ĂberfluĂ: An Wein. Die Zeit Ver-
treiben: mit schwÀtzen. Vergleichung Mit denen Thiren: Einen Luchsen. Ihr
Leben Ende: In Kloster.â228
Von der HinterhĂ€ltigkeit der Italiener, von ihrer âGeilsuchtâ, ihrer âVorsich-
tigkeitâ im Kriege und ihrem Wunsch, von einem âBĂ€terĂ€rchenâ, also Patri-
archen beherrscht zu werden, erzĂ€hlt uns Raimann nichts â er war wohl zu
kultiviert und aufgeklÀrt, um derlei rohe und plakative Eigenschaften an den
Italienern wahrnehmen resp. ihnen andichten zu können. Und von der âbö-
sen Seuchâ, also der Syphilis, wusste er als Arzt nur zu gut, dass sie nicht
auf Italien beschrÀnkt war. Sehr wohl aber berichtet er, dass sie laut, redse-
lig, lebhaft, neugierig und manchmal sogar zudringlich seien. Im Vergleich
zu den sonst noch im Schwange befindlichen, volkstĂŒmlicheren EinschĂ€t-
zungen der spezifisch italienischen Charaktereigenschaften kommen die
Italiener, zumindest die in Belluno beheimateten, bei Raimann also doch
recht gut weg. (Nebenbei sei hier bemerkt, dass die âWĂ€lschenâ in der steiri-
schen âVölkertafelâ neben dem angeblich blutgierigen âUngerâ etwa, dem
einem Esel gleichenden Russen oder âMuskawithâ oder gar dem sich nach
Weiberart kleidenden und zarte und weiche Sachen liebenden âTirk oder
Griechâ doch recht gute Figur machen.) Im GroĂen und Ganzen scheint
Raimann, in guter, vernĂŒnftiger, aufgeklĂ€rter Manier,229 die Menschen ge-
mocht zu haben, auch die Italiener, trotzdem sie fallweise zudringlich waren.
Und wenn ihm, wie in Istrien, die Sitten und Gewohnheiten eines Menschen-
schlages nicht behagten, so machte er dafĂŒr nicht die unabĂ€nderliche Natur
228 Vgl. Stanzel, EuropÀischer Völkerspiegel, S. 41 und Vorsatzabbildung; zu den angeb-
lichen Eigenschaften der Italiener vgl. weiters Wolfgang BrĂŒckner, Die Welschen, in
Stanzel, EuropÀischer Völkerspiegel. Imagologisch-ethnographische Studien zu den
Völkertafeln des frĂŒhen 18. Jahrhunderts (Heidelberg 1999), S. 183-194.
229 Zu den Werten der AufklÀrung vgl. Angela Borgstedt, Das Zeitalter der AufklÀrung
(Darmstadt 2004); Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschicht-
liche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland,
8 Bde., Bd. 1 (A-D) (Stuttgart 1972), s.v. AufklÀrung, S. 243-342; Esther-Beate Körbers,
Die Zeit der AufklÀrung. Eine Geschichte des 18. Jahrhunderts (Stuttgart 2006). Zur
Bedeutung der AufklĂ€rung fĂŒr die moderne Historiographie vgl. JĂŒrgen Kocka, Ge-
schichte und AufklÀrung. AufsÀtze (Göttingen 1989).
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832