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Wolf Museumskulturen
Abb. 5
Jacques Sablet, La Sala degli Animali, Tempera,
1786–1792, 52 x 76 cm.
Rom, Vatikanische Museen ein Versuch der Wiedergewin-
nung des antiken Rom. Darin
liegt, wie angedeutet, die
Ambivalenz seines Argumentes.
Wenn es eine Rückführung der
griechischen bzw. vermeintlich
griechischen Alter tümer Roms
geben solle, dann nach Athen,
nicht in ein als neues Athen
deklariertes Paris. Mit dem
antiken Rom geht Quatremère
zwar nicht allzu sehr ins
Gericht, lehnt aber doch den
Transport aus den eroberten
Städten und Provinzen dorthin
letztlich ab. Über die Jahrhun-
derte sei Rom aber zu jenem
Ort geworden, den es für die
Kunst und Wissenschaft Europas
heute darstelle, und dies auf-
grund einer großen Konti-
nuität, welche Künstlern er
laubt
habe, sich an den antiken
Monumenten zu schulen. Rom
ist zugleich Ort eines langwährenden Friedens wie einer glück
lichen Natur. Letztlich verdankt
Rom Raffael und Michelangelo, der Kunst der Renaissance und seiner Rolle als universaler
Versammlungsort der Völker, dass ihm diese Bedeutung zukommt; unter Rom versteht
man unausgesprochen also eben das päpstliche Rom und das Zusammenspiel kurialer
Kunst und antiker Skulptur am Ort monumentaler Ruinen und nachantiker Bauten, die sich
auf diese beziehen. Quatremère spricht nicht von dem internationalen Kunstmarkt seiner
Zeit, der für den Zuwachs der römischen Antikensammlungen sorgt, allerdings nennt er
die großen Schätze, die der gegenwärtige Papst (Pius VI.) in den Vatikan bringen ließ und
die alles in den Schatten stellten, was in den beiden Jahrhunderten zuvor zutage gekom-
men sei.32 Sein Fokus ist dabei auf den Funden und allenfalls auf dem Verkauf von Antiken
durch den römischen Adel an den Papst (was einen zentralen Aspekt in der päpstlichen
Akquisitionspolitik darstellt). Indirekt lässt sich dies an seinen Äuße
rungen zur Situation
in England fassen: Dort seien die Kunstschätze auf Schlösser verstreut, es bedürfe gleich-
sam eines zentralen Museums, um diese zu versammeln. Was sich angesichts des kontex-
tuellen Ansatzes bei Quatremère, der immer wieder die Rolle von Erinnerungen und
Lokaltraditionen herausstellt (durchaus im Sinne der lieux de mémoire), nicht findet, sind
Überlegungen zur Aufstellung und zu den Ordnungskriterien in einem Museum, auch
in späteren Texten nicht.33 Er übergeht damit das Faktum, dass sowohl der Apoll vom
Belvedere als auch Laokoon wie andere Statuen im Rahmen des neuen päpst
lichen
Museums eine Neuaufstellung erfuhren, sich also nicht mehr an ihrem in der Renaissance
geschaffenen Platz im Belvederehof befanden, dass also auch in Rom im späten 18. Jahr-
hundert selbst ein gewaltiger Umzug von Statuen wie Bildern und eine weit
reichende
Umgestaltung der Sammlungstopo
graphien stattgefunden hat. Das Museo Pio Clementino
erwähnt Quatremère schließlich in seinem späten Werk Canova et ses ouvrages und
insistiert einmal mehr auf der doppelten Funktion der Sammlungen für die Wissenschaft
und die Formation von Künstlern, die er ihnen zubilligt:
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur