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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 469 -
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469 Décultot Museum als sichtbare Geschichte was etwa dazu führte, dass der Franzose Poussin den Römern zugeschrieben wurde. Auf dieses eigentümliche, stilbezogene Verständnis des Schulbegriffs ging Mechel in der Ein- leitung seines Katalogs speziell ein: „Bey den Schulen-Eintheilungen aber ist man der eingeführten Gewohnheit gefolget, nach der nicht sowohl der Geburthsort als die Manier und der Styl einen Meister in eine Schule setzt, sonst würden Rubens und Mengs unter die Teutschen, und Spranger, der Stifter der Rudolphinischen Schule, unter die Niederländer gehören.“62 Bahnbrechend in der systematischen Anwendung des Stils als taxonomische Kategorie der Kunstgeschichte war nun Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums gewesen. Stil fungierte bei ihm zunächst als Kernbegriff einer historisierenden Auffassung der Kunst. Bei jeder der in der Geschichte der Kunst untersuchten antiken Zivilisationen wurde die Kunst- produktion in verschiedene „Zeiten“ eingeteilt, denen jeweils ein eigener Stil anhaftete. Diese bloß diachronische Bedeutung des Stilbegriffs ließ sich schon an der Bezeichnung einiger Stil-Phasen ablesen. So zählte für Winckelmann die Geschichte der ägyptischen Kunst hauptsächlich zwei Stile: den „älteren“, der durch gerade und steife Linien gekenn- zeichnet sei, und den „folgenden“ oder „späteren“, der dank Entlehnungen aus der griechischen Kunst seine ursprüngliche Gezwungenheit einigermaßen überwunden habe, dem griechischen Modell jedoch unterlegen geblieben sei.63 Dieser chronologischen Bedeutung des Stils als Epochenmerkmal wurde eine räumlich-nationale Dimension hinzu- gefügt. Jede antike Nation besitze, so die Geschichte der Kunst, ihren eigenen Stil. So sprach Winckelmann vom „wahren ägyptischen Stil“ eines Zigeunerin-Kopfes oder zählte die „Eigenschaften“ des etruskischen Stils auf, „die noch itzo in gewisser Maaße [sic] dieser Nation überhaupt eigen [sind].“64 Jedem Volk sei darüber hinaus nicht nur ein Stil, sondern auch eine besondere Stilentwicklung eigen, die sie von den anderen Nationen unterscheide. Während die stilistische Entwicklung der etruskischen Kunst drei Momente aufweise, welche jeweils einen besonderen Charakter besitzen (Steifheit in der ersten Periode, größere Biegsamkeit, aber auch Manieriertheit in der zweiten, bloße Nachahmung in der letzten), lasse sich die griechische Kunst in vier Hauptperioden einteilen, die durch Gezwungenheit, Größe, Schönheit und Verfall charakterisiert seien.65 In diesen verschie- denen Bedeutungsformen kommt dem Stil eine entscheidende Funktion zu: Nur an ihm lassen sich mit Sicherheit sowohl das Alter als auch die nationale Herkunft eines Kunstwer- kes bestimmen. Stil wird also zum zentralen Kriterium des kunstgeschichtlichen Urteils und somit auch zum bevorzugten Instrument des echten Kunstkenners.66 Wenn Mechel Winckelmann seinen stilgeschichtlichen Ansatz schuldig ist, so weist sei- ne Arbeit am Belvedere — und dies sowohl im Katalog als auch in der räumlichen Vertei- lung der Bilder — eine unterschwellige Spannung zwischen einem historischen und einem normativen Kunstbegriff auf, die Winckelmanns Werke ebenfalls prägte. Zwar scheint Me- chels Neuordnung der Belvedere-Galerie sich von vornherein an einem rein historischen Prinzip zu orientieren: „Der Zweck alles Bestrebens gieng dahin, dieses schöne durch seine zahlrei- che Zimmer-Abtheilungen dazu völlig geschaffne Gebäude so zu benutzen, daß die Einrichtung im Ganzen, so wie in den Theilen lehrreich, und so viel möglich, sichtbare Geschichte der Kunst werden möchte. Eine solche gros- se öffentliche, mehr zum Unterricht noch, als nur zum vorübergehenden Vergnügen, bestimmte Sammlung scheint einer reichen Bibliothek zu glei- chen, in welche die Wißbegierde froh ist, Werke aller Arten anzutreffen,
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums