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Gaehtgens Auf dem Weg zur Kunstgeschichte
VII. Wer war der Autor des Textes?
Es wird allgemein angenommen, dass die Redaktion des Katalogteils in den Händen von
Nicolas de Pigage lag, der mit seinem Namen die Einleitung zeichnete. Das ist aber ganz
unwahrscheinlich, denn eine so genaue Kenntnis der Malerei und Bearbeitung der einzel-
nen Werke kann von einem vielbeschäftigten Architekten kaum erwartet werden. Dass er
den Textteil selbst redigierte, wie seine Signatur nahelegt, möchte man bezweifeln. Es gibt
zwar keinen dokumentarischen Beleg, aber ausreichende Hinweise, dass ein anderer Autor
den Inhalt erarbeitet hat. Man kann mit guten Gründen den wahren Autor des Textes,
Jean-Charles Laveaux (1749–1827), identifizieren (Abb. 18).
Dass man den Hinweisen in der älteren Literatur, die ihn bereits nennen, nicht weiter
nachging, ist verwunderlich. Die früheste Bestätigung für ihn als Autor findet sich bei Jo-
hann Christian Meusel, der in seinem Werk: Das Gelehrte Deutschland oder Lexikon der jetzt
lebenden Teutschen Schriftsteller, 1797, berichtet, dass Laveaux „starken Antheil an der Gal-
lerie de Dusseldorf hat“.19
Laveaux, der in seinem späteren Leben als bedeutender Sprachforscher hervortreten
sollte und eine grundlegende Grammatik der französischen Sprache verfasste, verbrachte
ein ungewöhnlich bewegtes Leben im letzten Drittel des 18. und den ersten Jahrzehnten
des 19. Jahrhunderts. Aus Troyes stammend, zog er als Lehrer des Französischen 1776
nach Basel, wo er offenbar mit Mechel bekannt wurde, der ihn mit der Mitwirkung am Ka-
talog betraute. Nach Vollendung dieser Arbeit siedelte er nach Stuttgart an die Hohe
Carlsschule um, die er jedoch nach kurzer Zeit wieder verließ. Offenbar spielten hier auch
politische Gründe eine Rolle. Trotz seiner republikanischen Überzeugungen fand er eine
Anstellung in Berlin und half Friedrich II. bei der Redaktion seiner historischen Studien. Ein
umfangreiches Werk von Laveaux über das Leben des Königs sollte später in mehreren
Sprachen weite Verbreitung finden. In den Jahren der Französischen Revolution übersie-
delte er nach Straßburg, dann nach Paris, und engagierte sich an der Seite von Mirabeau,
den er vermutlich in Berlin kennenlernte. Als Mitglied der Girondisten hatte er nach der
Terrorherrschaft Robespierres längere Zeit im Gefängnis zu verbringen. In den folgenden
Jahren wandte er sich seinen wissenschaftlichen Studien insbesondere der Geschichte der
französischen Grammatik zu.
Wir wissen nicht, auf welche Weise Laveaux an dem Katalog mitwirkte. Schrieb er die
Texte allein oder hat er deutsche Vorlagen ins Französische übertragen? War er nur für die
sprachliche Fassung oder auch für den Inhalt verantwortlich? Diese Fragen können ohne
weitere Quellen nicht genau beantwortet werden.
Eine ausführliche Betrachtung der Bildkommentare führt zu dem Ergebnis, dass sie
eine deutliche Einheitlichkeit in der Methode der Analyse der Werke spüren lassen. Die Ver-
mutung, dass mehrere Autoren daran beteiligt waren, erscheint daher ganz unwahr-
scheinlich. Ja, man kann wohl auch davon ausgehen, dass Pigages Vorwort, in dem die
Leitlinien des Kommentars beschrieben werden, auch vom Autor des Kataloges stammt.
Pigage und Mechel haben sicherlich die Grundlagen der Herstellung des Textes mit dem
Autor abgesprochen.
Ein wesentliches Ziel des Verfassers war, dem Leser die kleinfigurigen Stiche zu erläu-
tern. Auf den zum Teil nur daumengroßen Reproduktionen sind, gerade bei figurenrei-
chen Szenen, oft nicht einmal die Themen zu erkennen. Die Katalogtexte konzentrieren
sich daher auf ausführliche Beschreibungen der Sujets. Nur gelegentlich sind Erklärungen
über die künstlerische Besonderheit angefügt, die sich oft auf allgemeine Bemerkungen
beschränken.
Abb. 18
Joseph Ducreux, Porträt des
Jean-Charles Laveaux, ca. 1793,
Pastellzeichnung.
Paris, Musée du Louvre
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur