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Der Stoff, aus dem Konflikte sind - Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
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PETRA ROSTOCK/SABINE BERGHAHN 18 kulturell oder sexuell sei. Daher ließ ›Migros‹ verlauten, dass man an Fall-zu- Fall-Lösungen arbeiten werde. Anders wird die Sache beim Konkurrenten ›Coop‹, der zweitgrößten Handelskette, gehandhabt. Hier erklärte der ›Coop‹- Mediensprecher, es gebe einheitliche Bekleidungsanforderungen, die keine Kopfbedeckung vorsähen (ebd.). Deutschland zählt zwar zu den ›neutralen‹ Staaten, die ansonsten das Kopftuchtragen weitestgehend zulassen und bislang allenfalls Verbote für die volle Körperverhüllung und vor allem Gesichtsbedeckung aussprechen. Die Debatten und insbesondere Regelungen in einigen Bundesländern entsprechen in der Frage des Kopftuchs der Lehrerin jedoch gerade nicht der toleranten Regelungstradition der ›neutralen‹ und meist ›kooperativen‹ Regime. In der Hälfte der deutschen Bundesländer ist ein demonstratives Kopftuchverbot für Lehrerinnen gesetzlich verankert worden, wobei in fünf dieser acht Bundes- länder zudem versucht wurde, das Tragen religiös motivierter Kleidungs- stücke anderer Religionen, konkret des Nonnenhabits und der jüdischen Kip- pa, dennoch zu erlauben. Die von vornherein beabsichtigte Ungleichbehand- lung christlich-abendländischer Symbole und Kleidung erinnert geradezu an ein antiquiertes staatskirchliches Konzept, welches eine hegemoniale Domi- nanz der Mehrheitsreligion propagiert, andererseits lassen die drei anderen Bundesländer mit einem Verbot jeglicher religiöser Kundgaben durch Lehr- kräfte Assoziationen an die französische Laizität aufkommen. Daher ist fest- zuhalten, dass Deutschland als Land mit einer Tradition der ›offenen‹ staatli- chen Neutralität und mit ›kooperativem‹ Selbstverständnis der meisten poli- tischen Amtsträger – jedenfalls gegenüber den christlichen Kirchen – eine der eigenen nationalen Tradition widersprechende Entwicklung genommen hat, die nicht dem Standard in Europa entspricht (siehe auch Berghahn in diesem Band). Während das Kopftuch in den meisten europäischen Ländern nicht ge- setzlich reguliert ist, erweist sich die muslimische Kopfbedeckung häufig als Projektionsfläche für Kontroversen sowohl über die Bedingungen des Zusam- menlebens in europäischen Einwanderungsgesellschaften, als auch über die religiöse Verfasstheit ebendieser Staaten und die ›zulässige‹ Interpretation von Geschlechtergleichheit. Die Versuche rechtsgerichteter Parteien, tolerante Regelungen auszuhebeln und die symbolischen Kopftuchverbote, die selbst Regierungsparteien in Dänemark und Holland zu installieren versuchen, spre- chen für einen ubiquitären Unwillen, Muslime und Musliminnen als Bürger/ innen ›auf gleicher Augenhöhe‹ anzuerkennen. Dabei dient die Proklamation von strikter Säkularität, von staatlicher Neutralität – notfalls unter Verwand- lung christlicher und jüdischer Kleidungsstücke in Symbole für abendländi- sche oder sogar universelle Werte – als Alibi für die fehlende Anerkennung der multiethnischen, multikulturellen und multireligiösen Realitäten in Euro- pa.
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Der Stoff, aus dem Konflikte sind Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Titel
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Untertitel
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Autoren
Sabine Berghahn
Petra Rostock
Verlag
transcript Verlag
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-89942-959-6
Abmessungen
14.7 x 22.4 cm
Seiten
526
Schlagwörter
Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
Kategorie
Recht und Politik
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