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EINLEITUNG
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Bruch mit der deutschen Tradition?
Die ›offene‹ Neutralität des Staates
in der juristischen und politischen Debatte
Nach den umfassenden Analysen der Kopftuchdebatten in Deutschland und
seinen Nachbarländern wird die Interpretation der ›offenen‹ Neutralität in den
juristischen und politischen Kopftuchdebatten genauer beleuchtet. Zunächst
jedoch fragt Ernst-Wolfgang Böckenförde nach der Bedeutung der Bekennt-
nisfreiheit, ihrem Inhalt und ihren Wirkungen als Grundrecht ebenso wie nach
der Neutralitätspflicht des Staates und ihrem Verhältnis zur Bekenntnisfreiheit
vor dem Hintergrund ihrer historischen Entstehung im Spannungsverhältnis
von Kirche und Staat. Dabei untersucht er auch, wie Bekenntnisfreiheit und
staatliche Neutralitätspflicht einander im Schulbereich zuzuordnen sind und
beurteilt die verfassungsrechtlichen Entwicklungen zur Religionsfreiheit aus
der Sicht der kirchlichen Lehre. Ernst-Gottfried Mahrenholz untersucht an-
schließend, inwieweit das ›Kopftuchurteil‹ des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) eine Orientierungsmarke im Streit ums Kopftuch sein kann. Nach
seinem Dafürhalten hat das BVerfG das Thema keineswegs in ruhige Gewäs-
ser gesteuert. Stattdessen wurde es zum Fokus einer kontroversen verfas-
sungsrechtlichen, religionsrechtlichen, kulturpolitischen und allgemeinpoli-
tischen Debatte, die in der Geschichte der Bundesrepublik ihresgleichen
sucht. Ausgehend von der Annahme, dass Konflikte wegen des Kopftuchs
einer Lehrerin in der Schule denkbar sind, zeigt Kirsten Wiese mit beson-
derem Augenmerk auf der geschlechtsspezifischen Bedeutung des Kopftuchs
auf, wie der Staat eine Konfliktlösung finden kann, die sich am Grundgesetz
(GG) orientiert und nicht dadurch motiviert ist, christlich-abendländisches
Kulturgut zu bewahren. Christian Henkes und Sascha Kneip lenken den Blick
auf die Gesetzgebungsverfahren in den Landesparlamenten, in denen der
›Konfliktstoff Kopftuch‹ im Nachgang der Karlsruher Entscheidung ver-
handelt worden ist. Die Hoffnung des BVerfG auf eine der Komplexität der
zu behandelnden Frage angemessene parlamentarische Debatte hat sich nicht
erfüllt. Stattdessen haben die unterschiedlichen religionspolitischen Integra-
tionsvorstellungen der Parteien zu einer zwei- bzw. dreigeteilten Gesetzes-
landschaft in der ›Kopftuchfrage‹ geführt. Somit sind die letztlich zentralen
Erklärungsfaktoren für den unterschiedlichen Umgang mit der ›Kopftuch-
frage‹ die politischen Programmatiken der Parteien und die kontingenten
Mehrheitsverhältnisse in den Bundesländern. Anhand der Gesetzeslage in
einem Bundesland – Hessen – erörtert Ute Sacksofsky exemplarisch, ob und
inwieweit die Kopftuchgesetze in Deutschland die verfassungsrechtlichen An-
forderungen erfüllen. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass auch ›neutral‹
wirkende, als umfassendes Verbot des Tragens religiöser Kleidungsstücke
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Titel
- Der Stoff, aus dem Konflikte sind
- Untertitel
- Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Autoren
- Sabine Berghahn
- Petra Rostock
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-89942-959-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 526
- Schlagwörter
- Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
- Kategorie
- Recht und Politik