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Der Stoff, aus dem Konflikte sind - Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
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SABINE BERGHAHN 44 wenn fortan ein Bundesgrundrecht – noch dazu ohne Gesetzesvorbehalt – durch Landesgesetze ohne größeren Aufwand erheblich eingeschränkt werden darf. Steht dem nicht eigentlich der Art. 31 GG entgegen?11 Das Karlsruher Urteil als Kompromiss und Vermeidung eines Stimmenpatts Die Widersprüchlichkeit des Urteils der Senatsmehrheit erklärt sich daraus, dass hier offenbar zwei richterliche Lager vorhanden waren und die liberale Seite ein Stimmenpatt von 4:4 verhindern wollte, weil dies die Abweisung von Fereshta Ludins Verfassungsbeschwerde bedeutet hätte. Integrationspoli- tisch wäre dieses Signal vermutlich desaströs gewesen; ohne triftige Begrün- dung im Einzelfall hätte jede Lehrerin oder Bewerberin mit Kopftuch um- standslos sanktioniert bzw. abgelehnt werden können, ohne dass mindeste Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips und der Grundrechtsbindung von den Schulbehörden hätten beachtet werden müssen. Es ist nachvollziehbar, dass ein solcher Ausgang der Verfassungsbeschwerde unter liberal-rechtstaatlichen Gesichtspunkten unbedingt zu vermeiden war. Das liberale Lager konnte aber, so darf man vermuten, eine Person aus der anderen richterlichen Gruppe davon überzeugen, zu einer Mehrheitsbildung beizutragen, wenn die Letztent- scheidung über die Richtung der Regelung den Bundesländern überantwortet würde. Es handelte sich also um einen Kompromiss, der in sich inkonsistent ist (siehe auch Mahrenholz und Sacksofsky in diesem Band), aber politisch und strategisch die Pattsituation zu überwinden half (ausführlicher Berghahn 2004: 51 ff und 2009). Dadurch wurde die Frage der politischen Richtungs- entscheidung – Kopftuchverbot für Lehrerinnen: ja oder nein? – erst einmal aufgeschoben und dem föderalistischen Prinzip und Prozess überantwortet. Vermutlich lautete das Kalkül der ›liberalen Fraktion‹ im Zweiten Senat: Die Gesetzgebungen der Bundesländer werden gerade in den Regionen Deutsch- lands, in denen christliche, insbesondere katholische Traditionen und Sym- bole im öffentlichen Leben und in der Schule besonders geschätzt werden, aus politischer Klugheit darauf verzichten, religiöse Zeichen und Kleidungsstücke für Lehrkräfte zu verbieten, weil sie dann – wegen der Gleichbehandlung aller Religionen – auch den Nonnenhabit und Schmuckkreuze untersagen müssten. Hier haben die liberal eingestellten Richter und Richterinnen allerdings nicht mit dem föderalistischen Eigensinn mancher Landesregierungen und Parla- mente gerechnet! 11 Art. 31 GG lautet: »Bundesrecht bricht Landesrecht«.
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Der Stoff, aus dem Konflikte sind Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Titel
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Untertitel
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Autoren
Sabine Berghahn
Petra Rostock
Verlag
transcript Verlag
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-89942-959-6
Abmessungen
14.7 x 22.4 cm
Seiten
526
Schlagwörter
Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
Kategorie
Recht und Politik
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