Seite - 568 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Bild der Seite - 568 -
Text der Seite - 568 -
568
Jesuiten
J. Jugendliche aus allen Gesellschaftsschichten in ihre
Schule auf. Die Mehrzahl der Schüler entstammte
nichtadeligen Bevölkerungsgruppen. Neben der Un-
entgeltlichkeit des Unterrichts spielte das Fehlen von
staatlichen Grenzen eine wichtige Rolle. Das bedeu-
tete Internationalität in der Zusammensetzung des
Lehrkörpers und im Herkommen der Schüler bzw.
Studenten. Wenn auch das Gros der Schüler aus
Kärnten (Koroška) kam, reichte der Einzugsbereich
über das Land hinaus. Auch aus anderen habsbur-
gischen Ländern, aus den Territorien des Heiligen
Römischen Reiches sowie aus dem übrigen Europa
kamen Studierende nach Klagenfurt (Celovec). Stei-
rer und Krainer, Tiroler, Böhmen, Schlesier, Ungarn,
Salzburger, Venezianer, aber auch Spanier, Franzosen
oder Dänen absolvierten hier ihre Schulzeit bzw. Stu-
dien. Noch deutlicher als bei den Schülern zeigte sich
die Überregionalität des Klagenfurter Jesuitenkollegi-
ums in der Zusammensetzung der Professorenschaft.
Zwischen den einzelnen Kollegien, wie etwa zwischen
Klagenfurt (Celovec) und Ljubljana, bestand ein reger
Lehreraustausch. Die meisten der Klagenfurter Pro-
fessoren kamen aus Österreich ob und unter der Enns.
1657–1773 betrug ihr Anteil an der Gesamtprofesso-
renschaft 40,8 %. Danach folgten Kärnten (Koroška)
und die Steiermark (Štajerska) mit je 13 %, sowie
→ Krain (Kranjska) mit 7 %. Die übrigen Professoren
kamen aus Böhmen, Mähren, Schlesien, Friaul, Tirol,
Bayern, Ungarn oder aus dem Heiligen Römischen
Reich. Ein weiteres Charakteristikum war die Mehr-
sprachigkeit. So sprachen von den 1773 in Klagenfurt
(Celovec) anwesenden 66 Mitgliedern der Societas 42
Deutsch, zwölf Deutsch in Verbindung mit einer an-
deren Sprache, zehn Slowenisch oder Serbokroatisch
und zwei Italienisch.
Die Klagenfurter Ordensszene war aber auch in den
internationalen Wissenschaftsdiskurs eingebunden
und liefert einen charakteristischen Querschnitt der
jesuitischen Wissenschaftskultur im Sinne von Uni-
versalität und Internationalität. Breit war das Spekt-
rum von Persönlichkeiten, die in Klagenfurt (Celovec)
unterrichteten und internationale Anerkennung be-
saßen. Als Kenner der klassischen und orientalischen
Sprachen verfasste Paul Tafferner (1608–1677) die
Reisebeschreibung Cesarea legatio (1672), die eine her-
vorragende Quelle für die diplomatische Geschichte
der Zeit der Türkenkriege darstellt. Karl Andrian
(1680–1745) verfertigte die erste Karte von Kärnten
(Koroška). Stefan/Stjepan Glavać (1629–1680) gab in Klagenfurt (Celovec) eine Karte des kroatisch-sla-
wonischen Raumes heraus. Einen wissenschaftlichen
Höhepunkt bildete das Wirken von Markus → Han-
siz (1683–1766). Seine Historia Reformationis Reli-
gionis in Styria, Carinthia et Carniola (1769) war der
erste Ansatz für eine wissenschaftliche Darstellung
der Länder → Innerösterreichs und bahnbrechend für
eine überregionale Geschichtsschreibung. Im Bereich
des (Schul-)Theaters wirkten Johann Baptist Popović
und Anton Kaschutnig(g) (Anton → Kašutnik)
(1686–1745), in der Poetik lehrten Johann/Ivan
Despotović und Franz Xaver Marković, in der
Philosophie Ferdinand Jauritsch (1691–1729). Es
waren die J., die entgegen der dominierenden Orien-
tierung am Spätjosephinismus und am deutschen Ide-
alismus im Herbert-Kreis die deutsch-slowenische
Realität von Kärnten (Koroška) zur Kenntnis nahmen.
Im Zusammenhang mit der Pflege des Deutschen
und Slowenischen machten sie die Wende vom domi-
nierenden Latein zur Volkssprache mit. Die Frühzeit
der slowenischen Schriftkultur in Kärnten (Koroška)
war eng mit den J. verbunden. Bewusst bildete die
Klagenfurter Niederlassung ihre Patres in Eberndorf
(Dobrla vas) für die Seelsorge in slowenischer Sprache
aus. Die Predigt in »windischer Sprache« war ihnen
wichtig (→ windisch). Der Krainer Bartholomäus/
Jernej →
Basar, einer der bekanntesten Prediger im
Habsburgerstaat, widmete sein 1734 in Ljubljana er-
schienenes Predigtbuch Conciones iuxta libellum exerci-
tiorum S. P. Ignatii in singulas anni Dominicas digestae
[…] der Bruderschaft des hl. Ignatius in Eberndorf
(Dobrla vas). 1744 kam in Klagenfurt (Celovec) das
von den J. redigierte viersprachige Wörterbuch Dictio-
narium quatuor linguarum, videlicet Germanicae, Lati-
nae, Illyricae (quae vulgo Sclavonica appelatur) et Italicae,
sive Hetruscae heraus, 1592 die insbesondere um den
Kärntner slowenischen Wortschatz erweiterte Zweit-
ausgabe von Hieronymus → Megisers Dictionarium
qvatuor linguarum. 1752 folgte die von Primus Lau-
renzhizh (Primož → Lavrenčič) verfasste Samm-
lung von Kirchenliedern Missionske Catholish Kars-
hanske Pejssme, 1758 die Grammatica oder Windisches
Sprach-Buch. Von Oswald → Gutsman (1727–1790)
erschienen in Klagenfurt (Celovec) u. a. die Windische
Sprachlehre (1777) und das Deutsch-windische Wör-
terbuch (1789). Beide bildeten einen Meilenstein in
der Belebung und Pflege der slowenischen Sprache.
Kärntner J. nahmen aber auch an der Entwicklung der
modernen Naturwissenschaften Anteil. Leopold Ap-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur