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Josephinismus
Josef II. wollte für die administrativ sehr unter-
schiedlichen Gebiete der österreichischen Monarchie
eine einheitliche Ordnung einführen und stärkte des-
halb die Zentralgewalt. Die Einberufung der Land-
tage wurde ausgesetzt, die Standesausschüsse wurden
aufgehoben und ihre Buchführung in die Landgraf-
schaften eingegliedert. Im Staatsapparat wurden die
(bezahlten) Beamten zu den zentralen Beauftragten
und Exekutoren des Herrscherwillens. Die im Jahre
1763 errichtete Guberniumsstruktur verdrängte
1782–1783 die ältere Verwaltungsordnung völlig
und setzte sich durch. Die Länder mit slowenischer
Bevölkerung wurden in das Grazer und das Tries-
ter Gubernium eingegliedert (einerseits Steiermark/
Štajerska, Kärnten/Koroška und → Krain/Kranjska
sowie andererseits → Trieste/Trst/Triest, Istrien/Istra
und Görz-Gradiska/Gorica-Gradišče) (→ Innerös-
terreich). 1784 proklamierte der Kaiser Deutsch als
→ Amtssprache für die gesamte Monarchie, was die
Unifizierung der Habsburgermonarchie weiter voran-
trieb (→ Lingua franca). Im gleichen Rahmen verlief
zur selben Zeit die Germanisierung des Schulsystems.
Dieses wurde vollkommen den Erfordernissen und
Bedürfnissen des Staates angepasst und untergeord-
net. Deutsch wurde 1782 als einzige Unterrichtsspra-
che an den Mittel- und höheren Schulen zugelassen
(→ Schulwesen), deren Netz an Dichte einbüßte. In
Ljubljana wurde 1785 zeitweilig das philosophische
Studium abgeschafft. In vielen Ländern wurde der
Weg zur höchsten Bildung schwieriger (die Universi-
tät in Graz wurde 1782 zum Lyzeum). Der J. traf auch
die Religion und die Kirche stark. Vom Kaiser wurde
das Verhältnis zwischen Kirche und Staat neu defi-
niert. Letzterer sollte alle Lebensbereiche beherrschen.
Zu diesem Zweck war auch eine ständige Aufsicht
über die Einwohner der österreichischen Monarchie
und ihre Gesinnung geplant. Dazu wurden Polizeidi-
rektionen und Zensur eingeführt. Josef II. hatte im
Einklang mit seinen Idealen 1781 das Toleranzpatent
erlassen. Mit diesem wurde den Lutheranern, Kalvi-
nisten, Orthodoxen und Juden der freie Gottesdienst
gestattet, eine Kontrolle der Ausbildung der Geistli-
chen durch den Staat eingeführt. 1783 wurden die Di-
özesangrenzen weitgehend den politischen Grenzen
angepasst. Es wurden in Graz Generalseminare für die
Länder mit slowenischer Bevölkerung gegründet. Der
Kaiser war überzeugt, dass die bischöflichen Pries-
ter – ähnlich wie die Staatsbeamten – Vollzugsorgane
der Staatspolitik sein konnten. Für Ordensleute, vor allem für die Mitglieder kontemplativer Orden, hatte
der Kaiser kein Verständnis. 1782–1790 kam es zu
Klosteraufhebungen jener Orden, die nach Meinung
Josefs II. keine allgemein nützliche Tätigkeit zum
Ziel und Zweck hatten. Auf dem Territorium, das
von Slowenen bewohnt wurde, und in seiner näheren
Umgebung wurden folgende Klostergemeinschaften
aufgelöst : Stična, Kostanjevica ob Krki, Ljubljana,
Bistra, Škofja Loka, Mekinje, Velesovo, Kranj, Novo
mesto, → Gorizia/Gorica/Görz, Solkan, Sveta Gora,
Gradišče ob Soči, Fara, Trieste/Trst/Triest, Duino/
Devin, Grljan, Žiče, Olimje, Studenice, Radlje ob
Dravi, → Maribor, Ormož, Ptuj, Murek (Cmurek),
Muta, Novi Klošter, Slovenska Bistrica, Sv. Trojica, in
→ Arnoldstein/Podklošter, → Villach/Beljak, → Os-
siach/Osoje, →
Viktring/Vetrinj, Griffen/Grebinj,
Sedelce und → St. Georgen am Längsee (Šentjurij
ob Dolgem jezeru). Ihr Vermögen wurde in einen
Religionsfonds eingebracht. Im slowenischen Raum
wurde eine Vielzahl von Pfarren neu gegründet. Diese
Tatsache aber konnte den großen kulturellen Verlust,
den die Übersiedlung der jeweiligen Klosterbibliothe-
ken nach Wien oder in Landeshauptstädte verursacht
hatte, bei Weitem nicht wettmachen. Im ländlichen
Raum war es infolge der schlechten Verwaltung des
Religionsfonds zu großer Verarmung der kirchlichen
Stiftungen gekommen. Auch die Auflösung fast aller
Bruderschaften hatte großen Einfluss auf das religi-
öse Leben. Die Priester, die Anhänger des J. waren,
versuchten den bestehenden Gepflogenheiten der
Volksfrömmigkeit entgegenzutreten. Unter ihnen war
in der österreichischen Monarchie Fürstbischof Karl
Johann → Herberstein von Ljubljana der Promi-
nenteste, der den Buchkorpus der Jansenisten aus dem
Französischen ins Slowenische übersetzen ließ. Die
rigoristischen Ansichten verbreiteten sie durch die
Herausgabe von → Liederbüchern und Bibelüber-
setzungen (ins Slowenische 1784–1802, zuerst unter
der Leitung von Jurij → Japelj), was wesentlich zur
Weiterentwicklung der slowenischen Schriftsprache
beitrug. Die Lehre des → Jansen hatte der Kaiser,
soweit sie den Staatszwecken dienlich war, bei seinen
Maßnahmen berücksichtigt. Die Gegner verwendeten
den Begriff Jansenisten abwertend (→ Jansenismus,
→ Spätjansenismus). Eine unmittelbare Kritik an den
Verfechtern der Ideen des Kaisers war wegen der Zen-
sur allerdings nicht möglich. Im slowenischen Raum
behielten die aus dem Geist des J. hervorgegangenen
Geistlichen ihre große Rolle bis in den Vormärz bei.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur