Seite - 586 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Kanaltal
Quintetto femminile Lussari,
Moja dečŭa je s spuǝdnjega
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Bis zur Mitte des 15.
Jh.s, als die Bamberger Bischöfe
Camporosso/Saifnitz/Žabnice und Tarvisio/Tarvis/
Trbiž das Marktrecht bzw. das Recht verliehen hat-
ten, Jahrmärkte abzuhalten, war Camporosso/Saifnitz/
Žabnice mit der slowenischen Urpfarre aus dem Jahr
1106 der bedeutendste Ort im V. C./K./K. d. Doch be-
reits Mitte des 15.
Jh.s übernahm Tarvisio/Tarvis/Trbiž
aufgrund mehrerer Faktoren die zentralörtliche Funk-
tion in Wirtschaft und Verwaltung von Camporosso/
Saifnitz/Žabnice : der steigende Verkehr über den Passo
di Predil/Predilpass/Predel, der Beginn des Zink- und
Bleiabbaus im Bergwerk von Raibl (it. Cave del Predil,
slow. Rabelj, friul. Rabil) sowie die steigende Bedeu-
tung als Verkehrsknotenpunkt. Diese Rolle wurde mit
dem Bau der Eisenbahnlinien Ljubljana–Tarvisio/Tar-
vis/Trbiž–Villach/Beljak (1870) und Udine/Udin/Vi-
dem– Pontebba/Pontafel/Tablja–Tarvisio/Tarvis/Trbiž
(1879) noch gefestigt.
Bis zur Mitte des 17. Jh.s stieg der Anteil der
deutschsprachigen Bevölkerung in absoluten Zahlen
auch in Pontebba/Pontafel/Tablja, wo vor allem Mili-
tärangehörige und Beamte siedelten, zumal die Grenz-
funktion des Ortes immer größere Bedeutung erhielt.
Trotz der Zuwanderung von Friulanern aus dem Sü-
den und von Deutschsprachigen aus dem Norden blieb
das V. C./K./K. d. noch Mitte des 19. Jh.s eine aus-
gesprochen zweisprachig slowenisch-deutsche Region.
Bereits im 16. Jh. ist der Luschariberg bzw. Luschari
(it. Monte Santo di Lussari, slow. Sveti Višarji, friul. La
Mont Sante dal Lussâr) ein Wallfahrtsort der Slowe-
nen, der Deutschsprachigen und der Romanen (Italie-
ner und Friulaner) gleichzeitig, weshalb diese →
Wall-
fahrt als Wallfahrtsziel der drei bzw. vier Völker und
heute Wallfahrtsort Europas genannt wird.
Auf die deutsch-slowenische bzw. slowenisch-
deutsche Zweisprachigkeit des V. C./K./K. d. weisen
auch die Angaben der Statistik von → Czoernig
aus dem Jahr 1846 hin. Damals lebten im gesamten
V. C./K./K. d. ohne der Gemeinde Weißenfels (it. Fu-
sine in Valromana auch Villa Bassa, slow. Fužine auch
Bela Peč, friul. Fusinis), die zum Kronland → Krain/
Kranjska gehörte, zusammen 6.139 Einwohner, davon
3.581 (58,3 %)› Deutsche und 2.558 (41,7 %) Slowe-
nen. Seit damals sank der Anteil der Slowenen wegen
der intensiven Zuwanderung deutschsprachiger Öster-
reicher aus den anderen Teilen der Monarchie sowie
wegen der statistischen → Germanisierung rasch. So
wurden 1880 2.482 (35,5 %) Slowenen gezählt und im
Jahr 1910 nur noch 1.682 (19,5 %), obwohl die nicht amtliche slowenische → Sprachenzählung in diesem
Jahr 3.379 (49,4 %) Slowenen ergab. Ab der Mitte des
19. Jh.s siedelten im V. C./K./K. d. verstärkt Friulaner,
die ihre italienische Staatsbürgerschaft beibehielten.
Bereits in den Kriegen gegen die Franzosen (1797,
1809, 1813) zeigte sich die große geostrategische Be-
deutung des V. C./K./K. d., da die Talenge in Malbor-
ghetto/Malburgeth/Naborjet mit einer relativ geringen
Truppenstärke gegen den Vorstoß aus Italien nach
Kärnten/Koroška gehalten werden konnte. Das erklärt
auch, warum Italien bereits im Londoner Memoran-
dum aus dem Jahr 1915 bestrebt war, sich die Ober-
hoheit über das V. C./K./K. d. bis zur Saifnitzer Was-
serscheide (slow. Žabniška razvodnica) zwischen den
Flüssen Fella/Bela und Gailitz (it. Slizza, slow. Ziljica,
friul. Slize) zu sichern. In den Pariser Friedensverhand-
lungen 1919 weitete Italien dann seine Forderungen
auch auf den Oberlauf der Gailitz/Slizza/Ziljica bis zur
östlichen Wasserscheide zur Save/Sava hin, die so im
Vertrag von Rapallo 1920 auch bestätigt wurden. Diese
Grenzen zwischen den drei betroffenen Staaten blieben
auch nach 1945 unverändert.
Nach dem Anschluss an Italien festigte sich der Be-
griff des V. C./K./K. d. in seiner geografisch weiteren
Bedeutung und umfasste nunmehr auch das Tarviser
Becken (it. Conca di Tarvisio, slow. Trbiška kotlina)
und den Oberlauf der Gailitz/Slizza/Ziljica samt ih-
res Einzugsgebietes, d. h. einschließlich der ehemaligen
Krainer Gemeinde Fusine in Valromana/Weißenfels/
Bela Peč.
Das V.
C./K./K.
d. war bis 1923 Teil der Verwaltungs-
einheit Venezia Giulia (Julisch-Venetien) und wurde
danach der Provinz Udine (it. Provincia di Udine) zu-
geordnet. Damit begann ein verstärkter Zuzug von Ita-
lienern. Nach der italienischen Volkszählung aus dem
Jahr 1921, die ein letztes Mal auch die ethnische Struk-
tur berücksichtigte, hatte das V. C./K./K. d. insgesamt
8.224 Einwohner, davon 4.185 (51 %) Deutsche, 1.207
(15 %) Italiener, 1.106 (12 %) Slowenen sowie 1.726
(21 %) »fremde Staatsbürger«, d. h. Einheimische, die
nicht die italienische Staatsbürgerschaft angenom-
men hatten. Zur italienischen Bevölkerung wurden die
Friulaner ebenso gezählt wie die Staatsbediensteten aus
dem Landesinneren (so auch die Militärangehörigen).
Obwohl es sich dabei um eine »amtliche« Volkszählung
handelte, sind die Angaben kaum verlässlich. Darauf
deuten die Beispiele aus S. Leopoldo Laglesie (dt. Le-
opoldskirchen, slow. Lipalja vas, friul. La Glesie) und
aus Camporosso/Saifnitz/Žabnice, wo die Slowenen
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur