Seite - 589 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Karantanien
stehung des Originaltextes im 8. Jh., erhaltene Kopie
aus dem 10. Jh.) in den Texten der → Klagenfurter
Handschrift und in → Ortsnamen erkennbar. In den
überlieferten (aufgeschriebenen) Ortsnamen sind auch
Änderungen in den gesprochenen Dialekten festzustel-
len. Ob das Jahr 976, als Karantanien von Baivaria/Bai-
ern (→
Bagoaria) selbstständig wurde, sprachlich eine
Rolle spielt, ist nicht feststellbar. Grosso modo lassen
sich in der Sprachgeschichte drei Zeiträume erkennen :
der erste ab 750 bis etwa 1000, das eigentliche Ka-
rantanerslowenisch in Dialekt und Literatur. Der zweite,
leider kaum belegte, ab 1000 bis etwa 1500 mit Verän-
derungen, wie der Entnasalierung der Nasalfoneme on
und en [regional bis heute erhalten], der Entpalatalisie-
rung von lj und nj und der Auflösung des fonologischen
lang/kurz-Merkmals der Vokale, ist ein Zeitraum des
Übergangs vom Karantanerslowenisch zu den heutigen,
stark bairisch infiltrierten kärntnerslowenischen Dialek-
ten, wobei in der Kirche beim Gottesdienst die alten
(leider nicht erhaltenen) karantanerslowenischen Texte
(z. B. das Evangelium) weiterhin verwendet wurden.
Der dritte ab dem 16. Jh. hat bereits die Merkmale der
heutigen kärntnerslowenischen Mundarten im Unter-
schied zu anderen. In der Geschichte der slowenischen
Sprache beginnt im 16. Jh. (1550) nach dem Kate-
chismus und den Bibel-Übersetzungen der Krainer
→
Trubar und → Dalmatin ein neuer Abschnitt,
eine neue Literatursprache, in der das alte K. als Lite-
ratursprache an Bedeutung und Umfang verliert und
gesamtslowenisch durch das Krainische marginalisiert
wird. Von da ab empfiehlt sich im Hinblick auf die Dia-
lekte der Terminus kärntnerslowenisch/koroškoslovensko
aus slowenischer und → Slowenisch in Kärnten/Koroška
aus deutscher Perspektive, was nur noch für das von
Karantanien übrig gebliebene Territorium Kärnten/
Koroška Gültigkeit hat. Die Dialektgeschichte der slo-
wenischen Dialektgebiete (→ Dialektgruppe) in und
außerhalb Karantaniens und Kärntens ist bis ins 16. Jh.
wenig bekannt, da → Dialekte eben nur gesprochen
und nicht geschrieben wurden, bestenfalls gelegentlich
als vulgare vocabulum.
Die Anfänge einer slowenischen Literatursprache
und einer slawischen überhaupt finden sich jeden-
falls im Karantanien des 8. Jh.s, zur Zeit der größten
Ausdehnung, ein Jahrhundert vor Kyrill/Method,
und sind daher karantanerslowenisch (→ Methodvita).
Umgekehrt verlieren die alte k. Kirchensprache und
die Dialekte nach 1500 zugunsten des Krainischen an
sozialem und prestigehaftem Einfluss. Erst heute er- kennt man »endlich« die gesamtslowenische und ge-
samtslawische historische Bedeutung des K., nachdem
man in der gesamten internationalen Slawistik die 100
Jahre vor Kyrill/Method historisch kategorisch ex-
kludiert und zur Zeit → Miklosichs den Raum Ka-
rantanien/Pannonien als Entstehungsraum der ältesten
slawischen Schriftsprache literaturüblich überhaupt
abgelehnt hatte (→ Pannonische Theorie, → Kopi-
tar).
Lit.: F. Ramovš : Kraktka zgodovina slovenskega jezika. Ljubljana 1936 ;
O. Kronsteiner : Die alpenslawischen Personennamen (Österreichische
Namenforschung, Sonderreihe 2). Wien 1975/²1981 ; S. Hafner, E.
Prunč : Lexikalische Inventarisierung der slowenischen Volkssprache in
Kärnten (Grundsätzliches und Allgemeines). Graz 1980 ; O. Kronstei-
ner : Sind die slawischen Ortsnamen Österreichs slawisch, alpenslawisch
oder slowenisch ? In : Die Slawischen Sprachen 58 (1998) 81–99 ; H.-D.
Kahl : Der Staat der Karantaner. Fakten, Thesen, und Fragen zu einer
frühen slawischen Machtbildung im Ostalpenraum. Ljubljana 2002.
Otto Kronsteiner
Karantanien, lateinisch und ladinisch Carantania, slow.
Karantanija, Koroška/Kärnten (< Koront/iska »das Ka-
rantanische«). Nach der Salzburger → Conversio eigen-
ständiges slowenisches Fürstentum ducatus südlich und
östlich von Baivaria, mit einem slowenischen Fürsten
dux (→ Duces Carantanorum) an der Spitze. Die Be-
wohner →
Carantani sind Slawen/Slowenen (Sclavi
qui dicuntur Quarantani).
K. beginnt 610 im Kärntner → Gailtal/Zilja : hi
(Taso et Cacco) suo tempore Sclavorum regionem, quae
Zellia appellatur usque ad locum qui Meclaria dicitur, pos-
siderunt. Unde usque ad tempore Ratchis ducis idem Sclavi
pensionem Foroiulanis ducibus persolverant (diese haben
zu ihrer Zeit das Gebiet der Slawen/Slowenen beses-
sen, das Zellia heißt bis zum Ort, der Meclaria [Mag-
lern/Megvarje] heißt. Von da bis zur Zeit des Fürsten
Ratchis/Radigoj haben diese Slawen/Slowenen den
friulanischen Fürsten Steuern bezahlt). 611 kommt
es in Osttirol bei Lienz/Aguntum zu einer Schlacht :
His temporibus mortuo Tassilone duce Baivariorum, filius
eius Garibaldus in Agunto a Sclavis devictus est, et Ba-
ioariorum termini depraedantur (in jenen Zeiten nach
dem Tod des Fürsten der Baivaren Tassilo ist dessen
Sohn Garibaldus in Aguntum/Lienz von den Sla-
wen/Slowenen besiegt und die Grenzgebiete der Bai-
varen sind überfallen worden). Um 630 ist in der Fre-
degar-Chronik in der marcha Vinedorum von einem
Wallucus dux Vinedorum die Rede. Erster dux war
Samo (manens in Quarantanis). Um 660 verschwindet
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur