Seite - 602 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Kärnten/Koroška
Das vom Rat der Kärnt-
ner Slowenen/Narodni
svet koroških Slovencev
promovierte Wappen der
Kärntner Slowenen mit dem
historischen etatistischen
Rechtsdenkmal, dem Fürs-
tenstein/knežji kamen
Parallel zur Formierung der deutschnationalen Be-
wegung entstand in den frühen 1870er-Jahren die
slowenischnational-liberale → Tabor-Bewegung. Be-
stimmend für die weitere nationalpolitische Positio-
nierung innerhalb der Kärntner Slowenen, in denen
das bäuerliche Element überwog, ein Bürgertum nur
schwach ausgebildet war und eine Industriearbeiter-
schaft fehlte, wurde die katholisch-konservative Rich-
tung. Ihr Ziel war die Gleichberechtigung des Slowe-
nischen im öffentlichen Bereich (Verwaltung, Schule)
unter Beibehaltung der Landeseinheit (→ Amtsspra-
che, → Schulwesen). Im Gefolge der Badeni-Krise
(1897) radikalisierten sich die nationalen Standpunkte.
1914 standen in Südkärnten 72 → deutschnationalen
Vereinen (u. a. »Deutscher Schulverein«, »Südmark«)
90 slowenischnationale gegenüber (Narodna čitalnica
[nationale Lesevereine]) (→ slovanska čitalnica) ; die
Ortsgruppen der → Družba sv. Cirila in Metoda [Ky-
rill- und Methodverein], der → Slovenska Straža [Slo-
wenische Wacht], des → Slovensko šolsko društvo [Slo-
wenischer Schulverein] sowie →
Kulturvereine unter
dem Namen Katoliško slovensko izobraževalno društvo
[Katholisch slowenische Bildungsvereine]. Hinzu ka-
men das → Katoliško-politično gospodarsko in društvo
za Slovence na Koroškem [Katholisch-politischer und
wirtschaftlicher Verein für die Slowenen in Kärnten]
(1890) sowie die → Slovenska krščanska-socialna zveza
za Koroško [Slowenisch-christlichsozialer Verband in
Kärnten] (1907) (→ Vereinswesen).
Trotz eines regen Vereinslebens ging der Anteil der
Slowenen an der Gesamtbevölkerung Kärntens nach
der Umgangssprachenerhebung (1880 : 101.874/29,7 %
der Gesamtbevölkerung ; 1910 : 81.410/21,2 % der Ge-
samtbevölkerung) zurück (→ Germanisierung, statisti-
sche ; →
Sprachenzählung). Bei den Reichsratswahlen
1911, bei denen die »Deutsche Volkspartei« mit 45,5 %
der Stimmen eine Dreiviertelmehrheit bei den Man-
daten erreichte, entfielen auf die → Koroška slovenska
Stranka [Kärntner slowenische Partei] 11,7 % der
Stimmen und ein Mandat (→ Abgeordnete). Bei den
Landtagswahlen erreichte die slowenisch-katholische
Partei in der Kurie der »Städte und Märkte« 1902 ein
Mandat und 1909 zwei Mandate.
Während des Ersten Weltkrieges gingen die Behör-
den restriktiv gegen die südslawische Bewegung vor.
Die → Maideklaration (1917) des Jugoslovanski klub
[Südslawischer Klub], die eine staatsrechtliche Vereini-
gung der Slowenen, Kroaten und Serben innerhalb der
Monarchie anstrebte, fand unter den Kärntner Slowe- nen eine breite Resonanz. Im Oktober 1918 forderte
der →
Narodni svet [Slowenische Nationalrat] den
Anschluss des Südkärntner Gebietes an einen künfti-
gen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (→ Ju-
goslawien). Dem stellte sich die provisorische Kärntner
Landesversammlung, die an der Unteilbarkeit des Lan-
des festhielt, entgegen.
Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie dran-
gen im Dezember 1918 SHS-Truppenverbände in
Kärnten [Koroška] ein. Dagegen formierte sich militä-
rischer Widerstand (»Abwehrkampf«) (→ Grenzfrage).
Auf der Pariser Friedenskonferenz wurde im Mai 1919
bezüglich der territorialen Zukunft des umstrittenen
Gebietes die Abhaltung einer → Volksabstimmung
beschlossen (→ Vertrag von Saint-Germain). Am 10.
Oktober 1920 stimmten 59,04 % in der Zone A für
einen Verbleib Kärntens bei Österreich (→ Abstim-
mungszone).
Zwischen 1920 und 1938 setzte sich der Rückgang
der slowenischsprachigen Bevölkerung fort. 1923 wies
die Volkszählung 34.650 inländische Sprachslowenen
aus. 1934 bekannten sich nur mehr ca. 25.000 Perso-
nen (6,6 % der Landesbevölkerung) zu Slowenisch als
→ Umgangssprache. Ebenso ging der Wähleranteil
der Koroška slovenska stranka [Kärntner slowenische
Partei] von 6,9 % (1921) auf 4,3 % (1930) zurück. Sie
war mit zwei Abgeordneten im Landtag vertreten. Neu
organisiert wurde nicht nur die politische Vertretung,
sondern auch das Kulturleben. Zeitungen (→ Koroški
Slovenec [Der Kärntner Slowene] ; → Nedelja [Sonn-
tag]) wurden gegründet (→ Publizistik). Im März
1921 konstituierte sich das → Politično in gospodarsko
društvo za Slovence na Koroškem [Politischer und wirt-
schaftlicher Verein für die Slowenen in Kärnten]. 1921
entstand die Zveza koroških zadrug [Verband Kärntner
Genossenschaften] (→ Genossenschaftswesen). Zahl-
reiche Bildungsvereine nahmen ihre Aktivitäten wieder
auf. Die 1925 begonnenen Verhandlungen über eine
→ Kulturautonomie für die Kärntner Slowenen ende-
ten ergebnislos. In der Zeit des »Ständestaates« stellten
sich führende Vertreter der slowenischen Volksgruppe
loyal zu Staat und Regierung. Die → Slovenska pros-
vetna zveza [Slowenischer Kulturverband] entwickelte
sich aufgrund der Auflösung des Politično in gospodarsko
društvo za Slovence na Koroškem [Politischer und wirt-
schaftlicher Verein für die Slowenen in Kärnten] zur
zentralen Organisation.
Am 13. März 1938 wurde Österreich und damit
auch Kärnten ein Teil Hitler-Deutschlands. Trotz Lo-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur