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Kontinuität
Der Fürstenstein, Sinnbild
für karantanisch-slowenisch-
Kärntner-kärntnersloweni-
sche Kontinuität, Foto Zalka
Kuchling
wird auch in der räumlichen Anordnung der Vergan-
genheit in Museen so dargestellt. Die Etymologie der
Völkernamen (→ Ethnonyme) wird dementsprechend
so erklärt, dass alle immigriert (»eingewandert«) sind :
die Baiern aus Böhmen, die Slowenen aus der »Urhei-
mat« nördlich der Karpaten, − und zu siedeln begon-
nen haben (daher auch der beliebte deutsche Terminus
Siedlungsnamen). Der »Rest« der einheimischen Altbe-
völkerung wurde als »Volkssplitter« absorbiert. Neue
Verhältnisse entstehen durch »Völkerwanderung« in
»menschenleere Räume« : Meist ohne Frauen, daher
die Erklärung für die Baiern als »Männer aus Böhmen«.
Vieles ist heute deutsch, ohne dass »völkergewandert«
wurde. Woher die »Österreicher« kommen, ist bisher
noch nicht thematisiert. Den nationalen Universitäts-
philologien kommt entgegen, dass alle geografischen
Namen möglichst aus der eigenen (heutigen) Staats-
sprache erklärt werden : Millenniumsmuster Ostarrichi
= Ostreich.
Die Ansichten der heutigen Nationalphilologie und
Nationalgeschichte beherrschen durch das allgemeine
Verlags- und Meinungsmonopol den Diskurs. Sie zei-
gen jedoch im interkulturellen Bereich erkenntnisthe-
oretische Grenzen, weil sie gerade im Hinblick auf die K. wesentliche Antworten schuldig bleiben. So weist
eine weithin rezipierte Kärntner Geschichtsauffassung
beachtliche Inkongruenzen auf, wenn nach der Un-
terordnung der karantanisch/karantanerslowenischen
Fürsten (→
Duces Carantanorum) unter die bairische
Oberhoheit eine sofortige → Germanisierung des ka-
rantanischen Raums suggeriert wird (→
Geschichts-
schreibung und kognitive Dissonanzen). Dies lässt
wesentliche Erkenntnisse außer Acht, die die sprach-
liche und rechtliche K. nicht gebührend berücksichti-
gen, auch hinsichtlich der Ungermanität des Bairischen.
K. ermöglicht überhaupt erst das Verständnis für die
→ Freisinger Denkmäler, die Bibelübersetzung durch
→ Dalmatin, die gesellschaftlichen Strömungen des
19. Jh.s (→ Inkulturation, → Dalmatinbibel, → Prepo-
rod) und das Bestehen der slowenischen Volksgruppe in
Kärnten/Koroška. K. wird oft als historische Einbahn
verstanden : Wenn man »deutschsprachigen« Adelshäu-
sern eine ethnische K. zuschreibt, die sich in → Orts-
namen, die auf »deutsche« Herrschaften zurückgehen,
widerspiegelt, wird den Ortsnamen mit eindeutig slo-
wenischem Ursprung (Stifter-, Besitzerpersönlich-
keiten) hingegen keine slowenische ethnische K. zu-
geschrieben. So werden Toponyme (→ Ortsnamen)
slowenischen Ursprungs zu historischen Zufällen, die
nicht der K. unterliegen (→
»Entethnisierung«). Ge-
rade das Konzept der K. wäre angetan, gesellschafts-
politische Fragen einem integrativen Verständnis zu
öffnen (→ Akkulturation, → Kulturgeschichte).
Dem Völkerwanderungskonzept steht das der K. ge-
genüber, nach dem die einheimische Bevölkerung seit
Jahrhunderten am Ort/daheim geblieben ist und nur
die Herrschaften (Besitzverhältnisse) und damit auch
die Sprache (→ Sprachwechsel) sich geändert haben,
nicht die Völker. Dies wird von der Namenforschung
durch das Weiterleben uralter Namen eindeutig bestä-
tigt. Alte Namen bleiben nur erhalten, wenn es eine re-
levante K. der Bevölkerung gibt. Ortstafeln, von denen
die »Völkerwanderer« die alten Namen hätten ablesen
können, gibt es erst seit der allgemeinen Straßenver-
kehrsordnung.
Die Namen des Alpenraums (→ Namenkunde),
der Baivaria und Carantania gehen überwiegend auf
alte Sprachen (→ Sprachwechsel, → Sprachmischung,
→ Zweisprachigkeit) in der Abfolge zurück : Alteuro-
päisch (oft noch erkennbar im Baskischen) > Keltisch >
Lateinisch > Ladinisch (→ Altladinisch) und als Kreol
aus Ladinisch und Alemannisch > Bairisch (→ Alt-
bairisch), oder aus Ladinisch und Slawisch > Karanta-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur