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Kulturvereine, slowenische in Kärnten/Koroška
KS, 26. 2. 1935
Kärntner Slowenen behinderte. Man darf nicht über-
sehen, dass sich die Kärntner Slowenen in gleichem
Maße für eine Bildung der Jugend eingesetzt hatten,
wie es im deutschsprachigen Landesteil der Fall war.
Die städtische Bevölkerung war seit jeher in Bezug
auf Bildungsmöglichkeiten privilegiert, und zwar un-
abhängig von ihrer ethnischen Herkunft. Nur in den
Städten war eine höhere Ausbildung möglich. Die
oftmals vorgebrachte Behauptung, wonach es in der
zweiten Hälfte des 19. Jh.s keine slowenische kulturelle
Intelligenzija gegeben hätte, kann nicht aufrechterhal-
ten werden. Bis heute gibt es nämlich keine Analyse
der Berufskarrieren jener »geborenen Slowenen«, die in
Kärntner Gymnasien und Realschulen den verpflich-
tenden Slowenischunterricht besucht und in diesem
Fach auch maturiert hatten. Lang ist nämlich die Liste jener, die nach ihrem Universitätsstudium als Anwälte,
Tierärzte oder Ärzte in anderen Teilen der Monarchie
Beschäftigung gefunden hatten (→ Binnenwanderun-
gen, → Emigration). Wenn sie in Kärnten/Koroška
blieben, mussten sie als »Slowenen« ihre Identität unter
dem Mantel des Schweigens hüten (→ Assimilations-
zwang). Beispielhaft seien der Arzt Treiber in Kla-
genfurt/Celovec und dessen Bruder Franc → Treiber
jun., der kämpferische Priester und Leiter der Schule in
St.
Ruprecht bei Völkermarkt/Šentrupert pri Velikovcu
(→
Schulwesen unter jugoslawischer Verwaltung in der
Zone A), angeführt. Ebenso findet sich der Eberndor-
fer Richter Ehrlich aus der angesehenen gleichnami-
gen Kanaltaler Familie der Ehrlichs in Camporosso/
Saifnitz/Žabnice nicht in den Annalen des sloweni-
schen Kulturlebens, noch weniger als ethnopolitisch
engagierter slowenische Politiker. Als in Klagenfurt/
Celovec der slowenische Priester Martin → Ehrlich
am Friedhof von St. Ruprecht/Šentrupert zu Grabe
getragen wurde, wagte es nicht einmal sein Bruder,
Lambert → Ehrlich, slowenische Worte zu sprechen.
Bereits diese zwei Beispiele zeigen, welchem Druck die
Slowenen ausgesetzt waren. Aus den Kronländern mit
slowenischer Bevölkerung (→ Innerösterreich) kamen
einige Intellektuelle nach Kärnten/Koroška. Doch nur
wenige partizipierten am kulturellen Leben der Slo-
wenen im Land. Bekannt sind vor allem die Beispiele
des Historikers Josip → Apih und des Anwalts Janko
→ Brejc. Doch bereits der Sohn Apihs, August, folgte
nicht mehr dem Beispiel seines Vaters.
Zahlreiche Autoren stimmen darin überein, dass
die Anfänge des organisierten Kulturlebens unter den
Kärntner Slowenen bereits in der zweiten Hälfte des 18.
Jh.s zurückreichen und in den 20er-Jahren des 19. Jh.s
an Intensität gewinnen. Diese Aktivitäten sind verbun-
den mit den Namen Urban →
Jarnik, Anton Martin
→ Slomšek, Matija → Ahacel und Matija → Ma-
jar-Ziljski. Im Zeitalter der Romantik kommt es
auch zu einigen durchaus vielversprechenden Formen
der slowenisch-deutschen Zusammenarbeit im Kultur-
bereich (→ Carinthia). Doch diese versiegen sehr rasch
und an ihrer statt trat die Idee einer Überlegenheit von
allem Deutschen im gesamten gesellschaftlichen Le-
ben. Ausdruck dieser vermeintlichen Überlegenheit ist
der Brief der Villacher Bürger aus der Zeit der Märzre-
volution (→ Revolutionsjahr 1848), der von der Sonne
der deutschen Kultur und des Fortschritts spricht, unter
der allein sich die Kärntner Slowenen einzig und allein
wärmen könnten, um so zu Bildung und Wohlstand zu
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur