Seite - 773 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Landesgesetzblatt, zweisprachiges Kärntner
Im Rahmen der bereits erwähnten 24. Sitzung der
II. Session der VI. Wahlperiode des Kärntner Land-
tages am 16. Jänner 1886 wird der Bericht des juris-
tisch-politischen Ausschusses diskutiert, »betreffend
die Petitionen mehrerer Gemeinden um Zusendung
des Landesgesetzblattes und der Landtagsbeschlüsse
in slovenischer Sprache«. Die Gemeinden Loibach/
Libuče, Leifling/Libeliče, Feistritz i.
R./Bistrica v Rožu,
Weitzelsdorf/Svetna vas, Fettengupf/Tolsti Vrh, Zell/
Sele und Rosegg/Rožek hatten eine entsprechende Pe-
tition am 30. November 1885 eingebracht, St.
Kanzian/
Škocjan am 3. Dezember 1885 und Seeland/Jezersko
am 9. Dezember 1885. Als Befürworter deklarierten
sich die slowenischen Abgeordneten Andrej → Ein-
spierler und Franz → Muri ebenso wie die Ab-
geordneten Canaval, Jessernigg, Mertlitsch
und Pucher, während der slowenische Abgeordnete
Matthias → Abuja aus dem → Gailtal/Ziljska dolina
sich zusammen mit anderen Abgeordneten dagegen
aussprach (→ Deutschtümler). Am Ende finden die
Petitionen der slowenischen Gemeinden keine Unter-
stützung. Es blieb beim Status quo.
Erster Übersetzer des zweisprachigen Kärntner
Landesgesetzblattes/Deželni vladni list war Anton
→
Janežič. In den 60er-Jahren des 19. Jh.s wurde
Karel → Robida zeitweilig mit der Übersetzung des
LGBl. betraut. Das steirische LGBl. übersetzte Josip
→
Muršec sowie nach ihm Radoslav → Razlag.
Ein Vergleich mit den anderen slowenischen Kern-
ländern zeigt, dass die Auslegung der Sprachenrechte
der Slowenen in Kärnten/Koroška am restriktivsten
war. In →
Krain/Kranjska bestimmt ein Gesetz vom 20.
Dezember 1869 (LGBl. Krain/Kranjska 1870, Nr. 3),
dass beide Sprachvarianten gleichermaßen authentisch
sind und das LGBl. erschien unter verschiedenen Titeln
durchgehend seit 1849 bis zum Ende der Monarchie
in beiden Sprachen. Ebenso erscheinen laut Žontar
e. a. im Küstenland/Primorje und in der Steiermark/
Štajerska die LGBl. u. a. auf Slowenisch durchgehend
bis 1918. Nina Novak weist spezifisch auf weitere küs-
tenländische Editionen 1868, 1872, 1873, 1880, 1888,
1897 und 1906 hin.
Das zweisprachige LGBlK/DvlK ist von Bedeutung
für die rechtliche Bewertung des Slowenischen als Lan-
des- und als →
Amtssprache sowie für die gesellschaft-
liche →
Relevanz der Sprache (§
1 RuLGBlP bestimmt,
dass den »nicht deutschen Texten […] eine deutsche
Übersetzung beizufügen [ist]«). Aufgrund des durchaus
nachvollziehbaren Unbehagens angesichts der damals neuen und noch unverständlichen → Terminologie und
Rechtssprache, wie sie die Landtagsabgeordneten Jo-
hann → Millonig und Andrej → Einspieler 1849
respektive 1851 zum Ausdruck brachten, führte Statt-
halter → Schlossnigg/Šlojsnik seinerseits eine amt-
liche Enquete durch. Er kam zur gleichen soziolinguis-
tischen Feststellung, wie sie ebenfalls der Dechant von
Kappel an der Drau/Kapla ob Dravi, Johann → Ra-
bitsch, zum Ausdruck brachte. Schlossnigg kam
so zum Schluss : »Diesem Umstande kann nur durch
das rastlose Bestreben eine allgemeine Bildung zu ver-
breiten, abgeholfen werden, die Auflage der Gesetze im
Volksdialekte aber dürfte in allen Sprachen ein schwie-
riges und kaum erfolgreiches Auskunftsmittel seyn«
(nach Domej, 443). Eine frühe wissenschaftliche Ana-
lyse der Rechtsgrundlagen und zur Frage der Qualität
der slowenischen Fassungen bzw. Übersetzungen von
Gesetzen im → Reichsgesetzblatt und in den → Lan-
desgesetzblättern der slowenischen Länder findet sich
im Pravnik slovenski 1870 und ist von Matej → Cigale.
Verschiedene → Ortsrepertorien weisen auf das um-
fassende Verständnis der konstitutiven Bikulturalität
des Landes hin bzw. auf den konstitutiven Charakter
des Slowenischen innerhalb des Kaisertums Österreich
(so enthält der »neue Zolltarif/colna tarifa« im slowe-
nischen Teil des alphabetischen Verzeichnisses sämtli-
cher Zollämter neben den slowenischen Endonymen
auch die üblichen slowenischen Exonyme). Die ge-
setzliche Zweisprachigkeit hat neben einer rechtlichen
Ebene auch materielle Bedeutung für die Entwicklung
und Festlegung der slowenischen Rechtsterminologie
(→ Slovenski pravnik) sowie der Sprache der Schul-
bücher und im Unterricht, wie es die Wiedergabe von
bedeutenden Reichsgesetzen (so der neuen Strafpro-
zessordnung 1853) oder der »Erlass … betreffend die
Aufnahme und Entlassung von Kranken im Krankenhause
zu Klagenfurt/Razpis … zastran tega, kako gre bolnike
v Celovško bolnišnico prejemati ter jih iz taiste izpuščati«
vom 18. August 1853 verdeutlichen.
Archive/Web : HHStA ; KLA, Parlamentsbibliothek Wien ; ÖNB,
ALEX – Historische Rechts- und Gesetzestexte http://alex.onb.
ac.at/ ; UBK ; www.verfassungen.de/at/ ; www.verfassungen.de/at/
kaernten/ (10. 1. 2011) ; Vrhovno sodišče Republike Slovenije, Cen-
tralna pravosodna knjižnica.
Quellen/Web : RGBl. 150/1849 : Kaiserliches Patent, die Reichsver-
fassung für das Kaiserthum Oesterreich enthaltend, vom 4. 3. 1849, S.
151 f.
RGBl. 151/1849 : Kaiserliches Patent über die durch die konstitutionelle
Staatsform gewährleisteten politischen Rechte, vom 4. 3. 1849, S. 165.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur