Seite - 779 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Landessprache
Charta der Grudrechte der
EU
Europarat, Rahmenüber-
einkommen zum Schutz
nationaler Minderheiten
Kremsierer Entwurf
Volksgruppengesetz Landessprachen von der Staatssprache differenziert be-
trachtet werden). Das Slowenische bzw. dessen Früh-
form zur Zeit der Besiedlung durch die Karantaner
(→ Carantani, → Karantanerslowenisch) im 6. Jh. wird
seither in ununterbrochenem Siedlungs-, Sprach- und
Dialektkontinuum im Land gesprochen. Slowenisch ist
also seit den frühen Anfängen bis heute eine lebendige
gesprochene sowie kulturell produktive L. in Kärnten/
Koroška und strahlt als solche weit über die Grenzen
des Landes hinaus und stellt sogar in manchen Ge-
meinden, die amtlich nicht (mehr) als zweisprachig
bzw. als slowenisch gelten, die einzigen → Kulturver-
eine (→
Zweisprachigkeit).
Historisch differenziert ist hingegen die Beurteilung
des Slowenischen als L. in ihrer (staats-)rechtlichen
Dimension zu sehen. Aus rechtshistorischer Perspek-
tive sind für das frühe Mittelalter das zeitliche und
räumliche Nebeneinander verschiedener politischer,
gesellschaftlicher und rechtlicher Systeme aufgrund
des → Personalitätsprinzips im gegenständlichen Fall
für die slowenische → Kultur- und Rechtsgeschichte
relevant. Aus dem solchermaßen existierenden Dualis-
mus der Rechtsordnungen (gleichzeitige Geltung meh-
rerer Rechtsordnungen in einem geografischen Raum)
entwickelten sich Landrechte der mittelalterlichen
österreichischen Territorien (Baltl/Kocher). Beide
Rechtsprinzipien geben eine plausible Erklärung für
den rechtlichen Fortbestand der karantanerslowenischen
→
Rechtsinstitutionen, und zwar Jahrhunderte nach der
Annahme des Vasallentums → Karantaniens und der
→
Christianisierung des Landes. Die Beibehaltung
der →
Fürsteneinsetzung als atavistisches Relikt ei-
ner vorstaatlichen, noch im Stammesrecht verhafteten
Gesellschaftsordnung seit der karantanischen Frühzeit
bestätigt die staatsrechtliche territoriale → Identität des
Landes, und zwar trotz der Einsetzung bzw. Belehnung
von nicht originär einheimischen Herzögen und trotz
der Integration in einen weiteren Staatsverband (→ Du-
ces Carantanorum, →
Herzöge von Kärnten/Koroška).
Personalitätsprinzip und Dualismus der Rechtsordnun-
gen geben ein Erklärungsmodell für den Fortbestand
des zunächst karantanischen, in der Folge slowenischen
Standes der kosezi, der aus fränkischer Sicht aufgrund
des Privilegs der Herzogswahl als Feudalstand sui ge-
neris angesehen werden musste, d. h., dass die kosezi als
eigenständiger Stand von Edelmännern, → Edlingern,
betrachtet wurden, was auch den Fortbestand von spe-
zifischen Privilegien bei der eigenständigen niederen
Gerichtsbarkeit und hinsichtlich von Abgaben erklärt (→ Edlingergerichtsbarkeit und → Edlingerdienste
im Gemeindegebiet von Magdalensberg/Štalenska
gora, → Edlinger-Gemeinschaftswald am Christof-
berg/Krištofova gora). Nach Wadl kann in frühmit-
telalterlicher Zeit keine ethnische Klassifizierung der
Edlinger/kosezi gemacht werden, da die mittelalterli-
che Gesellschaftsordnung sozialen Kriterien entsprang.
Zudem kann man in dieser Zeit nicht von Ethnos im
modernen Sinn gesprochen werden (→ Ethnogenese).
De facto engen Personalitätsprinzip und Dualismus der
Rechtsordnungen und ethnologische Überlegungen
zum Ursprung der Fürstenwahl jedoch die möglichen
ethnischen Hintergründe ein, sodass das Phänomen
der kosezi/Edlinger originär in der slowenischen Kul-
turgeschichte betrachtet wird (und zwar durchaus auch
im Lichte möglicher Prozesse der → Inkulturation der
kosezi). Geht man von der rechtskonstitutiven Bedeu-
tung mittelalterlicher → Eid- und Schwurformeln aus,
fand die den christlich-feudalen Anschauungen völlig
konträre Herzogseinsetzung seit den frühen Anfän-
gen bis 1414 in gleicher Form auf Slowenisch statt –
wenn auch in einem über die Jahrhunderte durch die
Sprachentwicklung durchaus gewandelten Slowenisch
(→ Freisinger Denkmäler, → Karantanerslowenisch,
→ altslowenisch) – und zwar trotz der Einsetzung bzw.
Belehnung von nicht originär einheimischen Herzögen,
die die originär karantanischen/slowenischen Fürsten
und deren Führungselite verdrängten (→
Kontinuität,
→ Adelssprache, → Buge waz primi, 1227).
Neben der die Landesidentität ausdrückenden L.
hatte das Slowenische somit bis in die Zeit der Re-
formation eindeutig einen staatssprachlichen Charak-
ter. Im 16. Jh. beriefen sich die Stände auf die slowe-
nische Fürsteneinsetzung bzw. Staatsrechtsgeschichte
(→ »windische Ideologie« des Herzogtums Kärnten/
Koroška), um ihre Eigenständigkeit zu festigen, wäh-
rend ein Konflikt um die Rechtsstellung der bamber-
gischen Besitzungen mit den Habsburgern ausgetragen
wurde (→
Christalnick, → Megiser). Gerade die
erwähnten Forschungen von Wadl über die Edlinger
in der Gemeinde Magdalensberg/Štalenska gora auf
dem → Klagenfurter Feld/Celovško polje deuten dar-
auf hin, dass die »Windische Ideologie« nicht nur in-
haltsleere »Ideologie« war, sondern durchaus auch eine
reale rechtliche und gesellschaftliche Grundlage hatte
(Schnabl 2012). Einen rechtlichen Hinweis auf das
Slowenische als L. liefert auch die → Goldene Bulle aus
1356, die die Habsburger mit einer Fälschungsurkunde,
dem Privilegium maius von 1358/59, für sich bean-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur