Seite - 790 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Landesverfassung, Kärntner von 1849
RGBl. 8/1850, slowenische
Fassung, S. 1
RGBl. 8/1850, slowenische
Fassung, S. 2
Kärntner Landesverfassung,
geltende Fassung
lage mit der Aufhebung wesentlicher Teile der Okt-
royierten Märzverfassung durch das Silvesterpatent
vom 31. Dezember 1851, und sie alle bedurften laut
Lehre keiner gesonderten Aufhebung. Sie waren also
in den Jahren 1850 und 1851 in der von Olechow-
ski als »scheinkonstitutionell« bezeichneten Ära bis
auf die reichsunmittelbare Stadt → Trieste/Trst/Triest
und die Militärgrenze/Vojna Krajina formal in Kraft,
ohne – nach Brauneder – wirksam geworden zu sein
bzw. u. U., unter Berücksichtigung der nachfolgenden
Überlegungen, ohne umfassend wirksam geworden zu
sein.
Denn in der Literatur durchwegs nicht gesondert
diskutiert wird die L. im Hinblick auf die Berück-
sichtigung des Slowenischen etwa im oben erwähnten
Landesgesetzblatt durch Statthalter Schloissnigg/
Šlojsnik. Die alleinige normative Kraft der faktischen
Präsenz der Slowenen in einem weitgehend geschlos-
senen Siedlungsgebiet in weiten Teilen des südlichen
Klagenfurter Beckens/Celovška kotlina und im Unte-
ren Gailtal/Spodnja Ziljska dolina (und in jener Zeit
u. U. noch darüber hinaus, → Ortsverzeichnis 1860,
→ Südkärnten/Južna Koroška) scheint keine zufrie-
denstellende Erklärung für die rechtsrelevante Berück-
sichtigung des Slowenischen (wie in § 3 der L.) zu bie-
ten, zumal gerade diese Verfassung auch die Loslösung
des Landes vom Gubernium in Ljubljana vorsah, wie
sie auch die Grenzen des Landes als Einheit bestätigte
(und wie es etwa aus Webernig S. 55 f. hervorgeht).
Weitere diesbezügliche Forschungen erscheinen damit
notwendig.
Im neoabsolutistischen Jahrzehnt zwischen 1851
und 1861 gab es keine Landesvertretungen in den
österreichischen Kronländern. Erst durch das auf der
Grundlage des Oktoberdiploms geschaffene Landtags-
statut vom 20. Oktober 1860 bzw. durch die Landes-
ordnung vom 26. Februar 1861 wurde wiederum ein
einheitlicher, nach Ständen gegliederter Landtag ge-
schaffen, der durchaus an das Grundkonzept der Lan-
desverfassungen von 1849 anknüpfte. Letztere stellen
nach Brauneder ein Bindeglied in der Verfassungs-
entwicklung seit 1848 dar, doch wurden sie in der
Lehre bisher wenig wahrgenommen oder eingehend
behandelt. Stourzh (S. 41) meint etwa zur Frage des
Inkrafttretens der Landesverfassungen von 1849/50 :
»Die meisten der 1849/50 ausgearbeiteten Landes-
verfassungen traten nie in Kraft ; Ausnahmen bildeten
lediglich die Landesverfassung für Triest (Trst, Terst,
Trieste) und das Grundgesetz für die Militärgrenze. Die Rücknahme der Märzverfassung, im August 1851
deutlich angekündigt, erfolgte mit dem ›Silvesterpa-
tent‹ vom 31. Dezember 1851.« Und Walter (1972)
meint weiters : »Sie [die Landesverfassungen von 1849]
in ihren einzelnen Bestimmungen darzustellen, erüb-
rigt sich, da sie nie in Wirksamkeit getreten sind und
im übrigen eine genaue Nachbildung in den 1867 er-
gangenen Statuten gefunden haben.«
Seiderer 2015 unterstreicht jedoch in seiner neue-
ren Darstellung des »Prozesses der Dekonstitutionali-
sierung« in der Phase vor dem endgültigen Durchbruch
des Neoabsolutismus die politische und rechtshistori-
sche Relevanz der Landesverfassungen, zumal die Okt-
royierte Märzverfassung selbst nicht umgesetzt werden
konnte, und zwar einerseits aufgrund des Krieges in
Ungarn (Waffenstillstand von Világos/Şiria im August
1849) und weil zum anderen »erst die Landesverfas-
sungen ausgearbeitet werden und in Wirksamkeit tre-
ten [mussten], bevor ein Reichstag einberufen werden
konnte, da die Mitglieder des Oberhauses des Reichs-
tages durch die Abgeordneten der Landtage zu wählen
waren.« Zudem sei die Einberufung der Landtage zu-
nächst noch für das Jahr 1849 vorgesehen gewesen, zu-
mal noch während der Beratungen über die Märzver-
fassung die Vorbereitungen für die Landesverfassungen
begonnen hätten. Seiderer meint weiters, dass der
»sich bis in den Herbst 1850 erstreckende Prozess der
Verfassunggebung für die nichtungarischen Länder«
zeige, »dass die Regierung in den Jahren 1849/50 die
Vorbereitungen für die Realisierung der Märzverfas-
sung ernsthaft vorantrieb.« Seiderer weiter : »[Innen-
minister Alexander von] Bach war daran gelegen, dass
die Reichsverfassung auch im Bewusstsein der Öffent-
lichkeit verankert wurde : Am 18. Februar 1850 brachte
er in den Ministerrat den Antrag ein, den Jahrestag
des Verfassungsoktrois als einen ›für die Einheit der
Monarchie hochwichtigen Erinnerungstag durch eine
kirchliche Feier begehen zu lassen‹. Noch im Laufe
desselben Jahres haben sich allerdings die politischen
Bedingungen für die Inkraftsetzung der Reichsverfas-
sung wie der Landeverfassungen grundlegend geändert
und es vollzog sich nach Seiderer eine schrittweise
Wende zum Neoabsolutismus ab Herbst 1850 durch
den »Zwischenschritt der Augusterl[ä]sse«.
Aus der Perspektive der slowenischen Rechts- und
→ Kulturgeschichte, der politischen Geschichte sowie
der Sprachgeschichte, → Terminologie und Topony-
mastik erscheinen die Landesverfassungen von großer
Relevanz, auch wenn sie bisher auch in der »sloweni-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur