Seite - 805 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Leški rokopis
Leški rokopis ist unbekannt. Vier in der Handschrift verzeichnete
Jahreszahlen weisen auf die Entstehungszeit zwi-
schen 1757–1761 hin. Die Sammlung besteht aus 39
slowenischen handschriftlichen Texteinheiten unter-
schiedlicher Inhalte, die auf 86 leeren Seiten des Neuen
Salzburger Schreib-Calenders von 1773, gemeinsam mit
einigen lateinischen und friaulischen Wörtern, nieder-
geschrieben wurden. Im Kalender befanden sich auch
einige von anderer Hand geschriebene Einzelblätter.
Nach Kotniks Vermutung war dieser Salzburger Ka-
lender nach Kotlje in der Mežiška dolina gekommen.
Von dort aus gelangte die Handschrift von Leše, an-
geblich über Ivan Miklošič, den Bruder des Slawisten
Fran(z) → Miklosich (Miklošič), in die Hände des
pensionierten Lehrers A. Godec aus Limbuš, der das
Dokument dem sich im Ruhestand befindlichen Gym-
nasialprofessor Fr. Jerovšek in Maribor schenkte. Das
Dokument kam in den Besitz des → Zgodovinsko dru-
štvo v Mariboru [Geschichtsverein Maribor]. Seit 1929
wird das Original in der Handschriftensammlung der
nunmehrigen Universitätsbibliothek Maribor Univer-
zitetna knjižnica Maribor verwahrt. Kopien des Doku-
ments befinden sich in der Studienbibliothek Osrednja
slovenska študijska knjižnica Ravne na Koroškem und in
der slowenischen National- und Universitätsbibliothek
Narodna in univerzitetna knjižnica (NUK) in Ljubljana.
Die Handschrift von Leše wurde in einer Studie von
Janko → Kotnik (1929 ; Nachdruck 2001) näher be-
schrieben : Aufgrund dialektaler Merkmale und der in
einer Texteinheit angeführten Namen von tributpflich-
tigen Bauern, von denen bis auf drei Ausnahmen, alle
selbstständige Bauernhofbesitzer in Leše pri Prevaljah
(Liescha bei Prävali) waren, lässt sich die Handschrift
der Mundart von Leše zuordnen. Sie zeigt im Vergleich
zu anderen Ortsmundarten in der Mežiška dolina stär-
kere Einflüsse seitens der Mundart von Strojna. Nach
Kotnik pflegte der Laienschriftsteller Kontakte zur
kirchlichen Obrigkeit und erhielt damit Zugang zu
den religiösen Büchern, aus denen ein Teil seiner Ab-
schriften stammt. Die zahlreichen Abschreibfehler im
lateinischen Text deuten nach Kotnik darauf, dass der
Schreiber kein Priester war. Aus der Handschrift von
Leše geht hervor, dass der Verfasser zwei unterschied-
liche Schriften verwendete : die Nachahmung von
Druckbuchstaben und eine inkonsequent verwendete
Kursive (Peissom). In der Schreibung fehlt die Unter-
scheidung zwischen den Graphemen < ∫ > und < s >.
Die Handschrift von Leše zeichnet sich durch ih-
ren mannigfaltigen Inhalt aus, der sich in zwei größere Blöcke gliedern lässt : einen religiös-kirchlichen Teil
(Gebete, das → Kirchenlied Pangue lingua und eine
Trauungsansprache), wobei es sich hier vorwiegend
um Abschriften aus Gebetbüchern oder liturgischen
Büchern handelt, und einen inhaltlich mannigfaltigen
volkskundlichen Teil (→ Volkslied, Volksmedizin, Le-
gende, apokryphe Literatur u. a.), der sprachlich und
inhaltlich deutlich selbstständige Züge aufweist.
Die Abschriften aus der religiösen Literatur sind aus
sprachwissenschaftlicher Sicht weniger relevant. Des-
halb widmete sich Kotnik in seiner Studie dem zwei-
ten Teil der Handschrift und veröffentlichte daraus
einige Beispiele : ein Arme-Seelen-Gedicht Peisiem od
vernih dushiz vizah (11 Strophen, Dreizeiler), ein Ge-
dicht über Feinde Peisom super sovrashniko na tim hudob-
nim svito (7 Strophen, Vierzeiler) und ein Volkslied mit
dem Titel Peissom (am Textende stehen die Jahreszah-
len 1758 und 1761) (14 Strophen, Zweizeiler). Danach
folgt ein volksmedizinisches Rezept zur Wundheilung
Ljudsko zdravilo za »vsikano, vrisano al ofan rano«, dem
sich eine Hochzeitsladung Ohzeitnu vableinie und
eine Hochzeitsbitte Na ohzait prosii anschließen. Die-
sen Texteinheiten folgen laut Kotnik Anweisungen
zum Leinenweben (Weben von ›Zwilch‹) Navodilo za
tkanje »zviliha« und das apokryphe Gebet »Die heili-
gen sieben Himmelsriegel« Letiso ti sedem : nebeshki
Riglii al shazi, das inhaltlich weitgehend mit den, in der
→ Duhovna bramba (Ausgabe mit der Jahreszahl 1800,
197) abgedruckten Himmelsriegeln Ti ∫veti ∫edem Ne-
beshki Rigelni übereinstimmt und sich von diesen nur
durch dialektale Charakteristika unterscheidet. An die-
sen Text schließen sich sieben weitere, kurze apokry-
phe Gebete an. Dann folgen nach Kotniks Angaben
die »Offenbarung der Hl. Brigitte« Razodetje sv. Brigite,
die ebenfalls Ähnlichkeiten mit der in der → Duhovna
bramba vertretenen Fassung der »Offenbarung der Hl.
Brigitte« aufweist, ein Text über den Tod der Hl. Drei
Könige O smrti sv. treh kraljev und eine Predigt für die
kirchliche Trauung Pridiga pred poroko. Nach Kotnik
stimmt dieser Text inhaltlich weitgehend mit der von
Priestern heute praktizierten Trauungsansprache über-
ein. Abschließend folgen zwei kurze Abschnitte aus
dem Büchlein des Thomas von Kempten Bukve Toma-
sha Kempensaria, die den zweiten Absatz des Titelblat-
tes des Büchleins Buquize od ∫lejda inu Navuka aus dem
Jahre 1719 und eine gekürzte Fassung des Vorwortes
aus demselben Büchlein umfassen.
Die Handschrift von Leše stellt ein kulturgeschicht-
lich bedeutsames Sprachdenkmal dar, das sich durch
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur