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Linhart, Anton Tomaž
Klagenfurt 1995, 28–31 ; P. Zdovc : Slovenska krajevna imena na
avstrijskem koroškem, Razširjena izdaja = Die slowenischen Ortsna-
men in Kärnten. Erweiterte Ausgabe. Ljubljana 2010 ; T. Simetinger :
Historično antropološka anliza plesne kulture na južnem Koroškem. Phil.
Diss. (Ljubljana, 2015).
Bojan-Ilija Schnabl
Lingua franca, auch transnationale Verkehrssprache,
Sprache, die in einem mehrsprachigen Umfeld, Ge-
biet, Staat oder Staatenbund die Kommunikation bzw.
den sprach (grup pen-)übergreifenden Verkehr ermög-
licht bzw. gewährleistet. In diesem Sinn sind Englisch,
Französisch, Spanisch und deren Pidgin-Varianten
internationale Verkehrssprachen, das Lateinische die
historische Verkehrssprache innerhalb der katholischen
Kirche und der Gelehrtenwelt bis zur → Aufklärung
und war Serbokroatisch bzw. ist Bosnisch/Kroatisch/
Serbisch (BKS) einst transnationale Verkehrssprache
aller Völker und Volksgruppen im ehemaligen → Jugo-
slawien (→ Wiener Schriftsprachen-Vereinbarung). In
der Habsburgermonarchie setzt sich seit den zentralisti-
schen, von Aufklärung und Merkantilismus getragenen
Reformen Josephs II. die pragmatische Idee durch, das
Deutsche als moderne L. f. innerhalb des Vielvölker-
reiches zu institutionalisieren (→ Josephinismus), was
ein Abgehen der traditionellen, sozial differenzieren-
den Konzepte von → Adelssprache versus Volkssprache
darstellte (auch unterscheidet sich dieses Konzept von
jenem der →
Goldenen Bulle aus 1356, das vom Prin-
zip ausging, dass die Herrscher auch die Sprachen der
slawischen Untertanen beherrschen mussten – formell
war die Goldene Bulle bis 1806 in Kraft). 1784 wird
das Deutsche zur inneren → Amtssprache erhoben,
während es weiterhin zur → Übersetzung von Patenten
und Kurrenden in die verschiedenen → Landessprachen
kommt, so ins Slowenische in Kärnten/Koroška und in
→ Krain/Kranjska, ebenso wie zum Gebrauch des Slo-
wenischen vor Gerichten (→ Eidesformeln). Abgese-
hen davon wird die Sprache eines Teils der Elite auch
Vektor des gesellschaftlichen Aufstiegs in den Stand
des modernen Beamtentums und erhält eine rechtlich-
institutionelle Rolle als transnationale Verkehrssprache
innerhalb des Habsburgerreiches bzw. insbesondere in
den Ländern der österreichischen Krone. In Verbindung
mit der Bedeutung des Deutschen im Gesamtreich wird
es über die Generationen hinweg etwa auch zur L.
f. im
Sinne von transnationaler Kommunikationssprache für
viele ethnische Ungarn in Transleithanien (was es bis
heute teilweise auch geblieben ist) ebenso wie für viele Slowenen → Innerösterreichs (für die Slowenen Istri-
ens und des Küstenlandes/Litorale/Primorje war es das
Italienische oder Friulanische ebenso wie für zahlreiche
Slowenen aus dem → Gailtal/Zilja).
In einer unhistorischen Perspektive werden die L. f.
bzw. die zugrunde liegenden funktionalen Fremdspra-
chenkenntnisse als → Umgangssprache uminterpre-
tiert und teilweise suggestiv als Synonym für → Mut-
tersprache (→
Sprachenzählung). Doch ebenso wenig
wie man für Ungarn mit Deutsch als L.
f. eine deutsche
Ethnizität annimmt, ebenso wenig gilt dies für Slowe-
nen in Kärnten/Koroška (→ Identität, territoriale). Von
einer → »Zweisprachigkeit« bzw. von gesellschaftlicher
Mehrsprachigkeit, wie man es aus heutiger Perspektive
bei → »Minderheiten« annimmt, kann nicht gespro-
chen werden.
Aufgrund von soziolinguistischen Phänomenen wie
→ Relevanz und Redundanz von Sprache kann aller-
dings in der Etablierung des Deutschen als L. f. ein
Vorlaufstufe der Festigung einer öffentlich wahrge-
nommenen → Umgangssprache gesehen werden, die
ihrerseits einen Aspekt im Assimilierungsprozess dar-
stellt (→ Assimilation, → Germanisierung). Die L. f.
und die damit einhergehenden funktionalen Fremd-
sprachenkenntnisse sind jedoch per se nicht Ausdruck
einer neuen Ethnizität (die »Zweisprachigen«), wie es
die → Zweisprachigkeitsideologie suggeriert und wie
dies aufgrund von kognitiven Dissonanzen unreflek-
tiert vermittelt wird (→ Windischentheorie, → Ge-
schichtsschreibung und kognitive Dissonanz).
Lit.: E. Bradler-Rottmann : Die Reformen Kaiser Josephs II. Göppingen
21976 ; G. Fischer : Das Slowenische in Kärnten, Bedingungen der sprach-
lichen Sozialisation. Eine Studie zur Sprachenpolitik. Wien, Sprache und
Herrschaft, Zeitschrift für eine Sprachwissenschaft als Gesellschafts-
wissenschaft, Reihe Monographien Nr. 1/1980 ; T. Domej : Die Slo-
wenen in Kärnten und ihre Sprache mit besonderer Berücksichtigung des
Zeitalters 1740 bis 1848 (Phil. Diss. Universität Wien). Wien 1986 ; R.
de Cillia : Burenwurscht bleibt Burenwurscht, Sprachenpolitik und gesell-
schaftliche Mehrsprachigkeit in Österreich. Klagenfurt/Celovec 1998 ; K.
Sturm-Schnabl : Slovensko narečje v funkciji komunikacijskega sredstva
za tuje prisilne delavce v letih 1938–1945 v političnem okraju Celovec.
Dokumentacija o slovenskem življu do 2. svetovne vojne. In : Obdobja 26 –
Metode in zvrsti. Slovenska narečja med sistemom in rabo. Ljubljana
2009, 371–391 ; B.-I. Schnabl : Celovško polje, neznani zaklad osrednje
slovenske kulturne pokrajine. In : KK 2013. Celovec 2012, 107–122.
Bojan-Ilija Schnabl
Linhart, Anton Tomaž (Anton Thomas, * 11. Dezem-
ber 1756 Radovljica [Gorenjska], † 14. Juli 1795) Auf-
klärer, Historiker, Dichter, Dramatiker.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur