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Liturgiesprache
Sonntagspredigten (1814),
Nachlass Lisca Watzko
ebenso wie im Grenzausland. Mit diesen Begriffen
werden unterschiedliche Textarten erfasst sowie die für
die unterschiedlichen →
Sprachgattungen spezifischen
Ausdrucksweisen (bzw. die Bezeichnungen der kirch-
lichen Ordnung) und zwar von der grundlegenden
Katechese, der Verkündigung, der Festigung im Glau-
ben und der mystischen Inhalte bis hin zu den wissen-
schaftlich fundierten theologischen Wahrheiten des
Glaubens wie auch der Etablierung der verschiedenen
(volkstümlichen) gottesdienstlichen Riten und Ein-
richtungen in ihrer über tausendjährigen Entwicklung
bei den Slowenen. Von den anderen jüngeren Textarten
und Ausdrucksformen der slowenischen Schrift- oder
→
Standardsprache unterscheiden sie sich durch ihre
spezifische, reich ausgebildete und archaische christli-
che → Terminologie sowie durch ihre besondere stilisti-
sche Syntax. Ihrem Entstehen nach sind die religiösen
Texte die ältesten Texte überhaupt. Als solche bilden sie
auch die Grundlage für die slowenische Schriftsprache.
Es ist allgemein bekannt, dass die heidnischen Völker
ihre Götter mit Ehrfurcht anbeteten, und zwar in einer
besonderen, nicht alltäglichen Sprache (mit bisweilen
unverständlichen Worten, die besondere Wirkungen entfalten sollten), mit Gesang, mit instrumentaler Mu-
sik und mit Tanz. Ihr Kult war gekennzeichnet durch
Synkretismus. Er verband zumindest drei verschiedene
Formen des Kultes : sprachliche, musikalisch-mimeti-
sche und darstellend-bildliche Ausdrucksformen. An
ausgewählten Orten (Kultorten) wurden den Göttern
Plastiken aus Holz oder Stein oder Kultbilder mit
Symbolen aufgestellt. Die Entwicklung der Religionen,
ihrer Ausdrucksformen, ihrer Kulte ist äußerst vielfältig.
Sie reicht zurück in die Frühzeiten der Menschheit, in
die Anfänge der Bewusstwerdung der Menschen über
die stoffliche und geistliche Welt. Im Falle Europas
reicht sie in die indoeuropäische Urgemeinschaft.
Der christliche Glaube in Europa ist, nicht auto-
chthon, er wurde eingeführt. Er überdeckt eine ältere
heidnische Schicht, die am stärksten überliefert ist aus
der griechischen und römischen Mythologie mit ih-
rem »vermenschlichten« Olymp und den entwickelten
und überschwänglichen Kulten. All das geriet mit der
Übernahme des Christentums als Staatsreligion im 4.
Jh. (315 n. Chr.) zur Zeit Kaiser Konstantins all-
mählich in Vergessenheit. Einzelne Spuren finden sich
noch in verdeckten ethnologischen Resten der europä-
ischen Völker.
Der christliche Glaube konzentriert und vertieft
sich in eine schwer verständliche und schwer erfass-
bare geistige Begriffswelt. Die Begriffe des christlichen
Glaubens sind den europäischen Völkern nicht gemein-
sames angeborenes Gut, sondern sind eine genau be-
stimmte Lehre, die aus dem Osten stammt. Die Lehre
geht auf das »auserwählte Volk« (der Israeliten) zurück,
das als einziges der semitischen Völker die »göttliche
Offenbarung« eines klar definierten Monotheismus,
d. h. den Glauben an einen einzigen Schöpfergott, tra-
dierte. Wie bereits Franz → Miklosich festgestellt
hatte, bewirkte das Christentum bei den Völkern eine
überwältigende, mit nichts vergleichbare Revolution
des Denkens, des Fühlens und einen Wandel des tägli-
chen Lebens. Dass diese umfassende, den Menschen in
seiner Gesamtheit erfassende Veränderung zuerst in der
Sprache ihren Niederschlag finden musste, in einer spe-
zifischen Lexik und in einem »neuen« überhöhten Stil,
versteht sich von selbst. Das Christentum brachte den
Slowenen mit der mündlichen Katechese wie mit den
niedergeschriebenen Gebetsformeln auch die Grund-
lage einer »neuen« nicht gesprochenen Sprache, einer
Sprache mit neuen Begriffen, die an unsere Vorfahren
von außen herangebracht wurden. Dies geschah parallel
zu den Übersetzungen aus dem Lateinischen und dem
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur