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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Seite - 872 -
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872 Maribor und »festigte« so den deutschen Charakter der Stadt. Nach Angaben der Volkszählung 1910 war Deutsch die Umgangsprache von 80,9 % oder 22.263 von 27.994 al- ler Einwohner der Stadt, Slowenisch hingegen nur von 3.823 Einwohnern oder 13,7 %. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass die deutsche →  Geschichtsschreibung M. als »ihre« Stadt ansah. Interessant ist, dass vor der Volkszählung 1910 in der Marburger Zeitung Aufrufe an die slowenischen Knechte und Mägde veröffentlicht wurden, diese sollten im Rahmen der Volkszählung die Sprache ihrer Herren, d. h. Deutsch, als Umgangsspra- che anführen. Die slowenische Historiografie wies mit Studien zur ethnischen Herkunft der Einwohner der Stadt die These einer »deutschen Stadt« M. zurück und bewies, dass noch 1910 mehr als die Hälfte der Einwohner der Stadt in slowenischen Orten geboren und beim Zu- zug Slowenen waren. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jh.s setzten sich einige slowenische Intellektuelle zum Ziel, den slowenischen Namen der Stadt Mari- bor durchzusetzen. Als Erster schrieb der slowenische Dichter Stanko →  Vraz den Namen M. in einem Brief an den kroatischen Sprachwissenschafter und Po- litiker Ljudevit →  Gaj nieder. Vraz schuf den Namen aus dem deutschen Marburg, indem er den ersten Teil des Namens Mar beibehielt, während er den zweiten Teil burg in das slowenische bor wandelte. Der Name Maribor setzte sich bei den Slowenen erst ab dem Jahr 1861 durch, als der damalige Reichsratsabgeordnete und Dichter Lovro →  Toman, der Autor des ersten slowenischen unzensurierten Drucks, das Gedicht Mar i bor publizierte und dem Namen auch eine Bedeutung gab : mar mi je [es geht mich an/es ist mir ein Anliegen] i(n) [und] bor-im se za to mesto [ich kämpfe um die Stadt]. Trotzdem verwendeten jedoch weiterhin zahl- reiche Slowenen den Barbarismus Marporg. Als Gegengewicht zum Deutschtum gründeten die Slowenen bereits 1861 einen Leseverein, 1871 eine Druckerei und 1882 eine Darlehenskassa (→  Glanč- nik, Jernej) sowie zahlreiche Vereine (vgl. dazu die ana- logen Institutionen und Prozesse in Kärnten/Koroška →  Lesekultur, →  Genossenschaftswesen, →  Vereins- wesen). Die ethnopolitischen Aktivitäten der Slowe- nen erreichten ihren Höhepunkt 1918 und 1919 in der Zeit der Kämpfe für die Nordgrenze, als Rudolf →  Maister mit seinen Freiwilligeneinheiten und ei- nem entschlossenen militärischen Eingreifen fast dem gesamten ethnischen Territorium der Slowenen in der Steiermark/Štajerska die militärische und die politische Kontrolle durch den SHS-Staat und seinem Nachfol- ger, dem Königreich SHS, sicherte (→  Jugoslawien). Das war gleichzeitig ein wesentlicher Faktor bei der Grenzbestimmung zwischen dem Königreich SHS und Österreich im Bereich der Steiermark/Štajerska, wo die slowenische Seite ihre territorialen Forderungen fast zur Gänze verwirklichte. Die neue Grenze folgte hier im Wesentlichen der slowenischen ethnischen Nord- grenze. M. war bis zum Zweiten Weltkrieg die Stadt, die sich im Königreich SHS (nach 1929 Königreich Ju- goslawien) am schnellsten entwickelte. Obwohl die Zahl der Deutschen wegen der Abwanderung und der Veränderung der Volkszählungskriterien (statt der Um- gangssprache wurde die →  Muttersprache erfasst) bis 1921 auf 6.595 (21,5 %) fiel, bis 1931 auf 2.741 (8,3 %), blieb jedoch weiterhin der Großteil der Industrie und des Kapitals in der Hand der Deutschen. M. war nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ein Migrationsziel für zahlreiche Zusiedler aus Kärnten/ Koroška. In der vor- und nachplebiszitären Zeit emi- grierten nach manchen Schätzungen ca. ein Drittel aller Kärntner slowenischen Emigranten nach M. und seiner Umgebung (→  Volksabstimmung 1920, Ver- treibung 1920). Unter ihnen waren auch zahlreiche Schüler von Franc →  Kotnik, der von September 1918 bis zur Volksabstimmung 1920, d. h. in der Zeit der jugoslawischen Verwaltung, der Leiter des sloweni- schen →  Gymnasiums und der Lehrerbildungsanstalt in →  Völkermarkt/Velikovec war. Diese Schüler been- deten die Lehrerbildungsanstalt und höhere Schulen in M., in anderen Orten Sloweniens oder auch des dama- ligen Jugoslawien. Einige Kärntner Emigranten hatten im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit angesehene öf- fentliche Funktionen. So wurde Anton →  Brandner, der sich bereits im November 1918 General →  Mais- ter im Kampf um die Nordgrenze anschloss, im No- vember 1920 in die verfassunggebende Versammlung gewählt und Dr. Fran →  Schaubach war 1927 bis 1929 Großbürgermeister des Verwaltungsgebiets Ma- riborksa oblast [Mariborer Verwaltungsgebiet]. Die slowenischen Zuwanderer aus Kärnten/Koroška hatten oftmals informelle Treffen. So führten sie in ab- gewandelter Form die Tradition des →  beljaško omizje [Villacher Kreis] fort und trafen einander regelmäßig, wöchentlich oder monatlich, in einem traditionellen Lokal. In den ersten Jahren gelang es Professor Her- zele und Pfarrer Anton Gabron an solchen »Kärnt- ner Abenden« beträchtliche Summen für Kärntner
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Untertitel
Von den Anfängen bis 1942
Band
2 : J – Pl
Autoren
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
502
Kategorien
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 547
  2. Lemmata Band 2 J – Pl 549
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