Seite - 897 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Mießtaler Dialekt
Mießtaler Dialekt
nach Tine Logar, Jakob
Rigler, Vera Smole, Jožica
Škofič, 2011
die Diphthongierung von langem ě bzw. ȏ zu ie bzw.
uo und deren weitere Entwicklung zu iːə/ėː (mˈliːəko/
mˈlėːko, sˈniːẹx/sˈniːəx) bzw. uːə/ọː (ˈnuːəč/ˈnȯːč ; ˈkuːəst,
ˈbuːəx, ˈnuːs/ˈnuːəs) und dieselbe Entwicklung von ē
(ˈpiːəč, pẹˈpiːə ) ; 2. die offenen Reflexe der spät ent-
nasalierten urslawischen Nasale ę, ǫ (tˈreːsti, ˈteːža,
ˈdeːtela, sogar ˈpaːtik, ˈjaːza ; ˈgoːba, ˈgoːs, ọbˈroːč, aber ˈrọːp,
guˈwọːp [Prevalje]) und der damit verbundene Rhi-
nesmus, also der Einschub von n (ˈmeːsənc ›mesec‹) ; 3.
die Entwicklung des langen urslawischen ə zu ẹː (ˈdẹːn,
sˈnẹːha, ˈmẹːša) ; 4. die Entwicklung von altem akutier-
tem ě zu eː (ˈleːtə, ˈdeː ə) bzw. ˈiːẹ/ˈiːə/ˈẹː (ˈdiːə aš [Pre-
valje]). Die Kürzung von langem i/u in anderen als der
letzten Wortsilbe verleiht dem Mießtaler Dialekt einen
besonderen Rhythmus (ˈzima, pˈlu at, ˈluč). Die kurzen
betonten und unbetonten Vokale wurden stark redu-
ziert, u. a.: ˈu, ˈi > ˈə in geschlossener Silbe (kˈrəx ›kruh‹,
ˈməš/ˈmẹš ‛miš’) ; unbetontes o > ə (kopíto > kəpítə, mˈliəkə,
ətˈruək) – auch im Akkusativ Singular feminin (ˈriːbə
›ribo‹), das nach palatalen Konsonanten zu - (ˈzẹml
›zemljo‹) werden kann ; kurzes unbetontes ə > a auch in
anderen als der letzten Wortsilbe (ˈmag a ›megla‹, ˈnas
›danes‹, sˈtabər ›steber‹) und in sekundär betonten Sil-
ben (ˈmaso ›meso‹, ˈtažek, ˈjaz
k, ˈraka ›roka‹, ˈgas ›gosi‹
G sg. von ›gos‹, ˈ
azə ›vozel‹). Kurze betonte Vokale
können also auch in anderen als der letzten Silbe eines
Wortes auftreten. Ein unbetontes -i im Auslaut kann zu
- abgeschwächt sein (ˈl
d ›ljudje‹). Die Assimilierungen
unterscheiden sich von Mundart zu Mundart ; möglich
ist z. B. eine Umlautung von a zu ä/e nach palatalen
Konsonanten (ˈzẹmlä ›zemlja‹, ˈteːžä ›teža‹, naˈpeː ät ›na-
penjati‹). Die anderen Reflexe entsprechen dem Stand
der slowenischen Schriftsprache (z. B. neu akutiertes e,
o > ˈẹː, ˈọː (ˈsẹːdəm/ˈsẹːd , ˈnẹːsu, ˈọːsəm, ˈdọːbər, šˈkọːda),
aː > aː (pˈraːx), ː > oː (ˈ
oː k, ˈ ọː
na). Bedeutende, die Betonung betreffende, Charakteris-
tika sind : 1. die Beseitigung von bedeutungsunterschei-
denden tonemischen Betonungen bei langen betonten
Vokalen (der Mießtaler Dialekt hat eine dynamische
Betonung), 2. Rückzug der Betonung auf vortonische e,
o und ə (ˈdeːska) bzw. Rückzug von kurzen Betonungen
vom Wortende (pˈrəšli ›prišli‹) und ehemals zirkum-
flektierten langen Betonungen von der letzten offenen
und teilweise auch geschlossenen Silbe um eine Silbe
zum Wortanfang hin (tertiärer Rückzug – (*zlatȏ, *okȏ
> zˈlaːto/ˈoːko, auch dˈrə
o ›drevo‹) und Vorverlagerung
der Betonung von ehemals kurz akutierten Silben um
eine Silbe zum Wortende hin (*bàbica > baˈbiːca > ˈbiːca
›babica‹).
Auf konsonantischer Ebene ist für den Mießtaler Di-
alekt 1. die »štekanje« genannte Erscheinung, das heißt,
die Verstärkung der Demonstrativpronomen mit der
Partikel še- (šˈtaːk ›tak‹, ˈš
ti/ˈšəti/ˈšət ›ta‹, šˈtam ›tam‹) ; 2.
das švapanje, also der Übergang von l vor hinteren Vo-
kalen a, o, u zu ł/
, (sˈłaːma/sˈ
aːma ›slama‹) ; 3. der Erhalt
des bilabialen (ˈ
ẹːški ›vaški‹, sˈ
at ›svat‹) ; 4. die Ent-
wicklung ń zu
/
/
n/n (ˈkoː n ›konj‹, sˈvija/sˈvi
a ›svinja‹,
ˈlukna ›luknja‹) und ĺ zu l (kˈluč ›ključ‹), 5. die Entwick-
lung žrě- zu žgre- (žgˈrebəl ›žebelj‹) bzw. žrẹː– (žˈrẹːbə/
žˈriːəbəc ›žrebe/žrebec‹), črě- zu črẹː- (čˈrẹːšna ›češnja‹), 6.
die Assimilation von -šč- zu -š- (kˈliːəše ›klešče‹) ; 7. die
Gruppe -dl- (mədˈliːt
a ›molitev‹) wurde nicht assimi-
liert, der Übergang der Gruppen -vi-, -li- zu -j- (ˈ
eː ko
›veliko‹,ˈtejk ›toliko‹, pˈra
la ›pravila‹) ; 8. die Erscheinung
eines eingeschobenen j vor s (ˈoː ster ›oster‹).
Auf morphologischer Ebene kennen einige Mund-
arten des Mießtaler Dialekts die Feminisierung von
sächlichen Substantiven (ˈakna ›okno‹, dˈrə
e ›drevesa‹,
neben ˈoːknọ ›okno‹, dˈrẹ ȯ ›drevo‹), was ein Resultat
sowohl der phonologischen Entwicklung als auch der
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur