Seite - 1009 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
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Pannonische Theorie
auf Erden ist berechtigt, zu seinem Gunsten von sei-
nem Nachbar die Aufopferung seiner selbst zu fordern,
keines ist verpflichtet, sich zum Besten des Nachbarn
zu verleugnen oder aufzuopfern.« Und gegen Ende des
Briefes : »Und endlich meine lange und doch nur flüch-
tig hingeworfene Rede zu schließen, muß ich meine
Überzeugung in kurzen Worten dahin aussprechen :
dass das Verlangen, Österreich (und mit ihm auch
Böhmen) solle sich volkstümlich an Deutschland an-
schließen, das heißt in Deutschland aufgehen, eine Zu-
mutung des Selbstmords ist, daher jedes moralischen
und politischen Sinnes ermangelt.«
Als Vorsitzender des allslawischen Kongresses in
Prag 1848 (→
Slawenkongresse) stellte er sein Pro-
gramm des → Austroslawismus vor. Er betonte, dass
die Slawen nach Österreich gehören und dass Öster-
reich den Slawen ihre nationalen Rechte zuerkennen
werde, bzw. glaubte er daran, dass Österreich zu einem
Staat gleichberechtigter Völker werden würde und dass
es die Slawen als gleichberechtigtes Element im Staate
anerkennen werde. P. lehnte die Anbindung an Russ-
land ab. Und setzte sich für eine selbstständige Verwal-
tung bzw. Selbstverwaltung aller Völker Österreichs auf
der Grundlage des anerkannten Naturrechts ein. Nach
dem Misserfolg 1848 wurde sein Vertrauen in Öster-
reich so erschüttert, dass er die Tschechen bis zu seinem
Tod vor der Gefährlichkeit der österreichischen Deut-
schen warnte.
Werke : Geschichte von Böhmen. Größtentheils nach Urkunden und
Handschriften. 5 Bde. Prag 1836–1867 ; Dějiny národu českého v
Čechách a v Moravě dle puwodnich pramenu. Prag 1848–.
Lit.: ÖBL. – S. Hafner, O. Tureček, G. Wytrzens (Hg.) : Slawische
Geisteswelt, West- und Südslaven, Staatlichkeit und Volkstum. Baden-
Baden 1959, 180 und 182 ; J. Kořalka : František Palacký (1798–1876).
Praha 1998 ; J. Morava : František Palacký. Čeh, Rakušan, Evropan.
Praha 1994 ; I. Gantar Godina : František Palacký a Slovinci. In : F.
Šmahel, E. Doležal (Hg.) : František Palacký 1798/1998. Dějiny a
dnešek. 1. Praha 1999, 413–418.
Irena Gantar Godina, Katja Sturm-Schnabl ;
Üb.: Katja Sturm-Schnabl
Palzer, Magdalena (Marienerscheinung), → Dolina/
Dolina.
Pannonische Theorie (auch karantanisch-pannoni-
sche Theorie), slow. panonska teorija bzw. karantansko-
panonska teorija. Die P.
T. geht ursprünglich auf Bartho-
lomäus → Kopitar zurück, der damit die geografische
Herkunft des → Altkirchenslawischen im Bereich des slowenischen Sprachraums bzw. in Pannonien loziert.
1836 edierte er in seinem Chef d’Œuvre Glagolita Clo-
zianus die nach dem Tiroler Grafen Cloza benannte
altkirchenslawische glagolitische Handschrift (→ Gla-
golica), die → Freisinger Denkmäler sowie mehrere
Abhandlungen in lateinischer Sprache. Darin führte er
die sog. Pannonische bzw. karantanisch-pannonische
Theorie aus, wonach das Altkirchenslawische auf der
Grundlage der Sprache des pannonischen Kerns der
Slowenen entstanden sei (das sind die Slowenen der
Steiermark/Štajerska, des Prekmurje (Übermurgebiet),
sowie die Kajkavischen Kroaten [im Gegensatz zum
karantanischen Kern der Slowenen aus → Kärnten/
Koroška, → Krain/Kranjska und dem Küstenland/Pri-
morje]).
Nicht zuletzt wegen ethnopolitischer Überlegun-
gen und exklusivistischer historischer Anschauungen
wurde die Theorie in der Folge vielfach kritisiert, da
die zahlreichen durch die Jahrhunderte währenden
Entwicklungen der Sprache und die unterschiedlichen
Zentren ihrer Pflege tatsächlich vielfältige Einflüsse
ausmachen lassen. So beanspruchen Slowaken und
Mährer (Tschechen) gleichermaßen den pannonischen
Raum der kyrilo-methodianischen Slawenmission
(→
Methodvita, → Christianisierung) als historischen
Teil ihrer nationalen Geschichte, ebenso wie die Bul-
garen und Makedonier Kyrill und Method als Teil
ihrer Nationalgeschichte betrachten. Auch die Kroaten
sehen bisweilen ihre Anciennität in ihrer eigenen gla-
golitischen Tradition begründet.
Selbst Franz → Miklosich unterstreicht die poli-
tische Grundmotivation des Entstehens der Sprache
im Rahmen der Bestrebungen auf Eigenständigkeit des
»Großmährischen Reiches«. Er distanziert sich auch
von Kopitars Annahme, das Slowenische hätte sich
direkt auf der Grundlage des Altkirchenslawischen
entwickelt, da er von einer dialektalen Trennung der
einzelnen slawischen Sprachen und jener der Karan-
taner (→ Carantani) und der pannonischen → Slawen
schon vor dem 9. Jh. ausgeht. Bedeutend war die Re-
zeption der P.
T. in Kärnten/Koroška, wo sie für Urban
→ Jarnik als Argument gegen die → Germanisierung
der Kärntner Slowenen diente und nach Domej einen
Hang zur Archaisierung der slowenischen Schrift-
sprache einleitete, einer Strömung, die in der zweiten
Hälfte des 19. Jh.s wirksam werden sollte.
Neuere Forschungen gehen davon aus, dass das
Übersetzungswerk von Kyrill und Method am
Hofe Mosapurc/Blatograd des unterpannonischen
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur