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Die beiden schönen Herzogthümer waren nunmehr verwaist und blickten in eine
unbekannte Zukunft, die um so dunkler war, da der Stern des iin fernen Süden weilenden
Kaisers im Sinken begriffen war und bald völlig erlosch. Wohl lebten noch zwei weibliche
Verwandte des letzten Herzogs, seine Schwester Margaretha, die Witwe Heinrichs, Sohnes
des Kaisers Friedrich II., und seine Nichte Gertrud, deren Gemal, der Markgraf Hermann
von Baden, ebenfalls frühzeitig starb, mit Hinterlassung eines Sohnes, jenes Friedrichs
von Baden, welcher später mit seinem Freunde, dem letzten Stauser Konradin, auf dem
Blutgerüste zu Neapel endete. Allein nicht einer der beiden Babenbergerinnen wurden
Österreich und Steiermark zutheil. Vielmehr kam das Erlöschen des babenbergischen
Mannesstammes zunächst den Premysliden zustatten, welche im engen Anschlüsse an die
Staufer die böhmische Königswürde erlangt, bei dem Untergange des staufenschen Kaiser-
hauses aber sich der welfisch-päpstlichen Sache angeschlossen hatten. Als Kaiser Friedrich II.
und sein gleichnamiger Enkel, dem er im Testamente Österreich und Steiermark vermacht
hatte, starben, gewann die päpstliche Partei in den vormals babenbergischen Ländern immer
mehr an Ansehen und der böhmische König Wenzel und sein Sohn Premysl Ottokar, die
schon längst mit den vornehmsten österreichischen Edlen und den in Österreich begüterten
Bischöfen in Verbindung standen, besetzten im November 1251 Österreich. Dagegen
entbrannte über die Steiermark, wo sich König Bela IV. von Ungarn, gestützt auf die ihm
übertragenen Rechte der Babeubergerin Gertrud festsetzte, eine Fehde, die der Papst dahin
entschied, daß dies Land zwischen Ottokar und Bela nach den natürlichen Grenzen getheilt
werden solle. Allein nach wenigen Jahren entstand ein neuer Krieg. Ottokar siegte bei
Kroiseubrunn an der March und gewann im Friedensschlüsse ganz Steiermark.
Ottokar hatte sich, um einen Rechtsanspruch auf Österreich zu erlangen, mit der
Babenbergerin Margaretha vermählt; da aber diese Ehe kinderlos blieb, verstieß er
Margaretha, um Kunigunden, einer Enkelin Belas IV., die Hand zu reichen. Ottokar nahm
nach dem Tode des kinderlosen Herzogs Ulrich von Kärnten aus dem Hause Sponheim,
der ihn zum Erben eingesetzt hatte, auch dessen Länder, darunter Theile von Krain in Besitz,
so daß sein Reich sich vom Erz- nnd Riesengebirge bis an das adriatische Meer erstreckte.
Ottokar war eine für seine Zeit ungewöhnliche Erscheinung. Man rühmte seine
Klugheit und Beredtsamkeit, seine Tapferkeit und Freigebigkeit. In Böhmen selbst ein
warmer Freuud und Förderer des Bürgerthums und der Colonisation, suchte er durch
eine geordnete Verwaltung und durch sorgsame Pflege ihrer materiellen Interessen die
neugewonnenen Länder an sich zu fesseln und sie den Verlust ihrer alten Selbständigkeit
und ihrer unmittelbaren Verbindung mit dem Reiche vergessen zu machen. Wie aus einer
merkwürdigen Denkschrift hervorgeht, die er auf dem Concil zu Lyon durch den Bischof
Bruno von Olmütz, seinen bewährten Rathgeber, dem Papste überreichen ließ, schwebte
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch