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Als Karl nach Teutschland kam, fand eine Übereinkunft zwischen ihm und den
Abgeordneten des juugeu Königs von Ungarn, Lndwig statt, wobei der 1515 geschlossene
Wiener Bertrag, wonach die Prinzessin Anna von Ungarn und Böhmen entweder mit
Karl oder mit dessen Bruder Ferdinand vermählt werden sollte, dahin abgeändert wurde,
daß Ferdinand sich mit Anna, Ludwigs Schwester vermählen sollte. Zugleich versprach
Karl, seinem Brnder die fünf österreichischen Herzogthümer zu überlassen. Zwar unterblieb
die im Zusammenhange damit beabsichtigte Erhebung der sünf Herzogthümer zu einem
Königreiche, ein Plan, welchen bereits Kaiser Maximilian gehegt. Dagegen übergab Karl
seinem Bruder auf dem Reichstage zu Worms (1521) zunächst außer Württemberg, das
er uach Vertreibung des dortigen Herzogs vom schwäbischen Bunde erworben hatte,
Österreich ob und unter der Enns, Steiermark, Käruteu und Kraiu, so daß Ferdinand
infolge dessen seine Trauung mit Anna zu Linz feiern konnte, während seine Schwester
Maria nach Ungarn geleitet wurde, um sich mit König Ludwig zu vermählen. In dem
folgenden Hauptvertrage, der bei einer persönlichen Zusammenkunft beider Brüder zu
Brüssel — 7. Februar 1522 — geschlossen wurde, fügte der Kaiser zur Erbschaft
Ferdinands noch Tirol und die Vorlande. Dieser Vertrag ist als die eigentliche Grund-
lage der Theilung zwischen der deutschen und der spanischen Linie des Habsburgischen
Hanses zu betrachten. Durch ihn wurde insbesondere Ferdinand I. der Ahnherr der
dentschen Linie seines Hauses.
Was diesem einst Rudolf von Habsburg vorgezeichnet, was mehrere seines Geschlechtes
versucht hatten, das erreichte Ferdinand: die dauernde Vereinigung Böhmens und Ungarns
mit Deutsch-Österreich. Erst aus dieser Vereinigung ging Österreich als selbständiger
europäischer Staat hervor, auf ihr beruht seine welthistorische Stellung, und in der
Erfüllung der Idee, welche dieser Vereinigung zu Gründe lag, erfüllte fortan Österreich
zugleich seinen Beruf. Allerdings wurde Österreich, so lange Karl V. lebte, von der
spanischen Monarchie in den Schatten gestellt und Ferdinand selbst trat bescheiden hinter
seinen älteren, begabteren und mächtigeren Bruder zurück, iu welchem er zugleich seiueu
Kaiser und Herrn verehrte. Seine Bestrebungen, soweit sie auf die Erwerbung der Kronen
von Böhmen und Ungarn gerichtet sind, stellen sich fast nur als eine Episode des welt-
historischen Kampfes zwischen Franz I. von Frankreich und Karl V. dar, wie es denn
auch vor Allem die französische Diplomatie war, welche sich überall den Bemühungen
Ferdinands entgegensetzte und ihn wiederholt um deren Früchte zu bringen wußte. Aber
allmälig konnte es doch nicht daran fehlen, daß die neue österreichische Politik uicht mehr
ganz dieselben Bahnen wie die spanisch-burgundische ging und daß der große selbständige
Staateneomplex, an dessen Spitze Ferdinand trat, seine leitenden Ideen aus sich selbst
schöpfte. Namentlich war dies in den Kämpfen mit den Osmaueu der Fall.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch