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überdies dadurch erschwert, daß er in Österreich, das nach Maximilians Tod nicht ohne
Gährung in seine Hände überging, die Regierung mit einem strengen Strafgericht eröffnen
mußte, daß der große deutsche Bauernkrieg auch Tirol und den nördlichen Theil der
Steiermark in Flammen setzte und daß ebenso die kirchliche Reform die Gemüther bereits
auf das lebhafteste erregte. Aber mit der Zeit eignete sich Ferdinand immer mehr die
Sitten seiner Länder an und wußte er, durch Umsicht nnd Energie Ansehen nnd Achtung,
ja Liebe zu gewinnen, wobei ihm im Gegensatze zu seinem ernsten, strenggemessenen Brnder
die angeborene Offenheit seines Wesens, sein hansväterlicher Sinn und seine weise
Mäßigung zustatten kam. Durch Glückswechsel uud Erfahrungen gereift, trat immer mehr
der Kern seiner edlen Persönlichkeit Hervor. „Er sterbe denn, wenn er wolle", sagt der
venetianische Gesandte Micheli, der ihn 1564 während seiner letzten Krankheit verließ,
„sein Tod muß Jedermann betrüben. In ihm wird einer von den besten Fürsten sterben,
die unsere Zeit gehabt hat, ein Fürst durch Natur uud Wahl friedfertig. Sein unbescholtener
Lebenswandel, seine unablässige Gottesfurcht, vor Allem seine Gutmüthigkeit und Leut-
seligkeit macheu ihn würdig, für einen Heiligen gehalten zu werden." Schwendi nennt ihn
„den löblichen heiligen Kaiser uud Vater des Vaterlandes."
Wie schwierig sich auch zu Beginn der Regierung Ferdinands die Verhältnisse der
Erblande gestalten mochten, die schwerste und größte Aufgabe hatte er im Osten zu lösen,
wo ihm ans der eorvinisch-jagellonischeu Erbschaft die Pflicht unablässigen Krieges gegen
den Islam zufiel. Ferdinands Schwager, der König von Ungar» uud Böhmen Lndwig
fiel in der Schlacht von Mohäcs (29. August 1526) wider die Türken und mit ihm die
Blüte seines Kriegsheeres und des Adels. Ungarn lag offen vor den Angriffen des Erb-
feindes, unbesetzt waren die beiden Throne. Wohl vorbereitet war die Habsburgische Politik
auf diese Eventualität; sowohl Erbverträge als Ehepacten hatten die Erwerbung jener
Kronen angebahnt. Trotzdem sollte Ferdinand nicht ohne den härtesten Widerstand das
Ziel erreichen. Denn in beiden Reichen setzte sich ihm das beanspruchte Wahlrecht der
Nationen und die Autorität angesehener Mitbewerber entgegen.
Was zunächst Böhmen betrifft, so stand hier dem Wahlrechte, wie dasselbe die
Stände seit der Erhebung des Guberuators auf deu Thron thatsächlich ausgeübt hatten,
und den Bewerbungen anderer Fürsten, namentlich der Herzoge von Baiern, nicht sowohl
Ferdinands eigenes Recht, da ja die von ihm angerufenen Erbverträge einst (1462) Kaiser
Friedrich dem König Georg ausgeliefert hatte, als vielmehr das auf der goldenen Bulle
Karls lV. für Böhmen beruhende Recht seiner Gemalin Anna gegenüber. Aber wenn auch
Ferdinand seine Erhebung auf den Thron nicht jenem Rechte, sondern, wie er in einem
darüber ausgestellten Majestätsbriese ausdrücklich erklären mußte, lediglich der freie» Wahl
verdankte, so wurde doch diese Thatsache iu ihren Folgen durch die Erklärung der Stände
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch