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Daß eine Reform der Kirche nothwendig sei, darüber konnte allerdings kein Zweifel
bestehen; ging doch die Bewegung, welche die Gemüther erfüllte, von einer Reaction des
religiösen Gefühls gegen die bestehenden kirchlichen Zustände aus. Nur darum konnte es
sich handeln, ob die Resorm sich aus der Kirche selbst und unter der Leitung der über-
lieferten Gewalten oder ob sie mit völliger Losreißung von dem bisherigen Kirchenrechte
sich vollziehen sollte. Die Entscheidung dieser Frage konnte sür Karl V. nicht zweifelhast
sein; sie war sür ihn eine Sache der inneren Überzeugung und wurde zugleich durch seine
kaiserliche Weltstellung bedingt. Wie sehr sich auch die Stellung des Kaiser- und des Papst-
thums zu einander im Laufe der Zeit geändert haben mochte, so wnrde doch das eine stets
durch das andere gestützt und ergänzt. Auf dieser Idee wechselseitiger Durchdringung beruhte
die universale Bedeutung des Kaiserthnms und die Ausgabe des Kaisers selbst als des
obersten Vogtes der Kirche. Nur auf dem Boden der alten Kirche konnte der Kaiser dieses
schutzherrlichen Rechtes walten, welches ihm zugleich die Fürsorge für die Aufrechthaltung
der Einheit des Glanbens auftrug. So hatte sich das Kaiserthum zu Ende des Mittelalters
dargestellt, so hatte es namentlich noch Kaiser Sigismund auf den großen Concilien zum
Ausdruck gebracht. Ebenso hat Karl V. seine Aufgabe als Kaiser erfaßt. Von der
Nothwendigkeit einer Resorm überzeugt, suchte er sie innerhalb des Rahmens der alten
Kirche zu erreichen, mit denselben Mitteln, deren sich diese in früheren Zeiten bedient hatte,
namentlich durch das Concil zu Trient, dem sich auch die Protestanten unterwerfen sollten.
So wie in politischen Dingen war anfangs auch in der kirchlichen Frage Karls V. Ver-
halten Ferdinands Leitstern. Dies war sowohl in den Erblanden als auch im deutschen
Reiche der Fall, wo Ferdinand als Stellvertreter seines Brnders (als „sein anderes Ich"),
später als römischer König wirkte. Im Jnni 1524 schloß er sich auf dem Couveute zu
Regensburg jenem Bündnisse der Herzoge von Baiern uud der süddeutschen Bischöfe,
behufs strenger Durchführung des Wormser Edictes und wechselseitigen Beistandes, falls
es darüber zu einer Empörung ihrer Unterthanen kommen sollte, an, welches zugleich auf
Antrieb des Cardiuals Campeggi eine Reform des katholischen Ekerns ins Auge faßte.
Nach beiden Seiten hin zeigte sich fortan Ferdinand thätig, einerseits dnrch die Publication
einer Reihe von Erlässen, unter denen das Ofener Generalmandat vom 26. August 1527
das wichtigste war und in welchen die ganze Macht des Staates gegen den unsichtbaren
Feind aufgeboten wurde, der in jedem Hauch des von Deutschland wehenden Geistes lebte
und webte, — anderseits durch wiederholte Visitationen nnd Reformationen der Klöster,
zu denen den Landesfürsten von Österreich die päpstlichen Indulte früherer Zeit die
Vollmacht gaben, wozu noch der weitere Umstand trat, daß der Reichstag zu Speier (1526)
die kirchliche Entwicklung für die nächste Zeit den territorialen Gewalten anheimstellte.
Auf diesem Standpunkte beharrte Ferdinand auch fernerhin, indem er gegenüber den
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Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch