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geheimen Gründen alles irdischen Daseins forschte, verlor er dieses selbst allmälig aus den
Augen. Über Studien, die einem Privatmanne wohl zur Zierde gereicht haben würden,
vergaß Rudolf die Kaiserpflichten, seine eigenen Lande und ihre religiösen Wirren nnd
gerieth ganz unter den Einfluß der unwürdigste« Personen, wie seines Kammerdieners
Philipp Lang. Und zu dieser Sehnsucht nach Ruhe gesellte sich eine Leidenschaft, die ihm
seinen Herzenswunsch vereiteln mußte: „die Sucht zu herrscheu, ohne den Drang zur That,
der allein zur Herrschaft führen kann". Dieses ohnmächtige Begehren pflanzte einen
Zwiespalt in des Kaisers Brnst, an dem derselbe zugrunde gehen sollte.
Als sich seit dem Jahre 1600 die zunehmende Umnachtung seines Geistes in zeit-
weiligen Ausbrüchen bald der Wuth, bald der Angst offenbarte, trat sein Brnder Matthias
als der Älteste des Hauses an ihn mit dem Ansinnen heran, sich einen Gehilfen in der
Person eines voraus bestimmteu Nachfolgers zu geben. Damals wies Rndolf eine derartige
Znmuthuug noch zurück. Erst die Ereignisse in Ungarn führten die Entscheidung herbei.
Die ersten Habsburger waren bei dem Versuche, Ungarn dem Verbände ihrer
übrigen Länder einzufügen, auf um so größere« Widerstand gestoßen, als schon seit der
Epoche der Jagellonen die Macht des Adels das gauze öffentliche Leben überwucherte und
jeder Versuch, durch ein festeres Anziehen der Zügel sich dieses Zwischenlandes im Kampfe
mit der Pforte zu versichern, als ein Eingriff in die avitifche Verfafsnng angesehen werden
konnte. Schon gegen die Regierung Ferdinands I., der in die Grenzfestungen statt der wenig
diseiplinirten ungarischen Truppen fremde (meist deutsche) Söldner verlegt, die Stelle eines
Palatins durch längere Zeit unbesetzt gelassen und das Land durch einen Statthalter
verwaltet hatte, waren Vorwürfe laut gewordeu, die mit den Jahren sich steigerten, als zu
den politischen Beschwerden die religiösen sich gesellten. Und als daher Rudolf, der infolge
eines ziemlich glücklich geführten Türkenkrieges (1603) über einen beträchtlichen Theil von
Ungarn und Siebenbürgen herrschte, seine momentane Übermacht benützen wollte, um zu
einem Hauptschlage wider den Protestantismus auszuholen, da brach ein Aufstand ans,
an dessen Spitze Stefan Boeskai trat, der zum Fürsten von Siebenbürgen gewählt, auch
zum Fürsten von Ungarn ausgerufen und von den Türken unterstützt wurde, so daß sich
seine Hajduckeuscharen ungestraft über Mähren, Steiermark und Österreich ergießen konnten.
Zwar waren die Ungarn bereit, gegen die Sicherstellung der nationalen, ständischen und
religiösen Freiheiten unter die Herrschaft des Hauses Habsburg zurückzukehren; doch
wollten sie nur mit Erzherzog Matthias unterhandeln, von dem sie zugleich wünschten, daß
er bereits jetzt zum Könige von Ungarn ernannt werde.
Diese Zustände erfüllten die übrigen Mitglieder des Hanfes Habsbnrg mit tiefer
Betrübniß und schweren Sorgen. Sie kamen daher überein, in Rudolf, welcher unverheiratet
war, neuerdings zu dringen, daß er seinen ältesten Bruder Matthias zu seinem Nachfolger
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch