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sich Ferdinand dem Dienste der Kirche zur Verfügung gestellt, es war ihm ernst mit den
Worten: „lieber wolle er über eine Wüste herrschen, lieber betteln gehen und seinen Leib
in Stücke hauen lassen, als die Ketzerei dulden". Herzliches Wohlwollen für das Seelenheil
seiner Unterthanen sowie die tiefwurzelnde Überzeugung, daß er ein Werkzeug iu der Hand
Gottes sei, ausersehen dessen Strafgericht über die widerfpänstigen Ketzer zu verhängen,
trieben ihn gleichmäßig zu seinem Restaurationswerke an; sie verliehen ihm die Festigkeit,
mit der er alle Gegenvorstellungen und jeden Widerstand zurückwies, sie flößten lhm jene
Glaubensstärke und jene moralische Kraft ein, die ihn in Augenblicken der größten persön-
lichen Gefahr aufrecht hielt und mit jener Siegeszuversicht erfüllte, der er in dem Wahl-
spruche: ,legitime certantidus corona" Ausdruck gab.
Die geistlichen Rathgeber Ferdinands gehörten zu jener Partei, welche dem Staate
kein Recht gegen die Kirche zugestand. Daß von diesem Standpunkte ans ein selbständiges
Eingreifen in das Weltgetriebe sowie ein unbefangener Ausblick auf das politische Leben
nicht möglich war, ist ebenso gewiß, als daß es selbst in dem Leben dieses Fürsten, dem
mehr die Tugenden eines geistlichen Oberhirten als jene eines weltlichen Regenten beschieden
waren, Augenblicke gab, iu denen sich über die Ideen, welche ihn beherrschten, die
unerbittliche Macht der realen Verhältnisse erhob. Auch war Ferdinand nicht unempfindlich
für fremde Seelengröße, selbst wenn dieselbe in Feindesbrust lebte. Als man ihm in der
Folge das blutbefleckte Koller des bei Lützen gefallenen schwedischen Heldenkönigs über-
brachte, rief er aus: „Gerne hätte ich ihm ein längeres Leben uud fröhliche Rückkehr in
seine Heimat gegönnt, wenn nur der Friede in Deutschland hätte erlangt werden können",
Worte, die sicherlich nicht nur dem, welchem sie galten, sondern auch dem, der sie sprach,
zur Ehre gereichen.
So beschaffen war der Fürst, den nunmehr seine Verwandten zum Nachfolger des
Kaisers Matthias ausersahen. Da dieser aus später Ehe mit seiner Base, der Erzherzogin
Alma von Tirol keine Kinder hatte, so machte sich unter den Habsburgischen Prinzen die
Besorgniß geltend, daß die Stände von Ungarn und Böhmen bei dem Mangel eines
direkten Erben nach seinem Ableben die Gelegenheit benützen würden, um über den Thron
beliebig zu verfügen; sie stellten deßhalb dasselbe Verlangen an Matthias, das dieser einst
an Rudolf gestellt hatte: er möge noch bei seinen Lebzeiten dem präsumtiven Thronerben
die Krone von Ungarn und Böhmen aufs Haupt setzen. Seine Erben waren seine beiden
Brüder, die Erzherzoge Maximilian und Albrecht; da sie aber alt und gebrechlich wäre»,
da seruer die tirolische Linie schon mit ihrem Stifter Ferdinand erloschen war, so verzichtete»
jene gern auf ihre Rechte zu Gunsten ihres nächsten Anverwandten und Vetters, des Erz-
herzogs Ferdinand von Steiermark. Wohl erhob König Philipp III. von Spanien Ansprüche
auf die Nachfolge, da er als derSohn einer Tochter Maximilians II. ein directer Nachkomme
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch