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gerissein Auch wurde der Versuch gemacht, die königliche» Städte von dem Adel zu treuueu
und Zwiespalt unter dem protestantischen Clerns herbeizuführen, letzteres in der Absicht,
einen Theil desselben zur Wiederauuahme des seit dem Jahre 1609 abgeschafften Alt-
utraquismns zu bewegen.
Aber man hatte sich über die wahre Stimmung des Landes getäuscht. Jene Maß-
regeln, die man nur als die Vorboten der herannahenden allgemeinen Reaetivn ansah,
riefen eine ungeheuere Aufregung hervor, welche, von den Häuptern der Union und von
den Parteiführern in Böhmen selbst geschürt, in der Rebellion des böhmischen Adels zum
Ausbruche kam. Hatte zweihundert Jahre zuvor der Prager Fenstersturz das Sigual zum
Ausbruche der Hussitenkriege gegeben, so war es ein Ereigniß der gleichen Art, welches
gleichsam als Vorspiel das Drama des dreißigjährigen Krieges eröffnete.
Am Krankenbette des Kaisers zn Wien — denn dorthin ward nach Rudolfs Tode die
Residenz zurückverlegt — hatte man sich nun zu entscheiden, ob der Aufstand im Sinne
Khlesels durch Nachgiebigkeit zu beschwöre» oder nach der Meinung Maximilians und
Ferdinands vielmehr als Handhabe zu benützen sei, nm durch Anwendung von Gewalt
dem Ungehorsam der Böhmen ein für allemal ein Ziel zu setzen. Dnrch die gewaltsame
Entfernung Khlesels vom Hofe gewann die Actionspartei die Obhand, um so mehr, als
mitten iu dem Ausloderu des Krieges Kaiser Matthias — am 20. März 1K20 — aus dem
Leben schied. Wie einst am Schlüsse des Mittelalters, so ging auch jetzt an die steirische
Linie der Besitz der sämmtlichen dentsch-habsburgischeii Reiche und Länder über.
Freilich konnte man für den Augenblick mehr von einem Anrechte als von einem
gesicherten Besitze sprechen. Da sich der Aufstand weniger gegen den Kaiser als gegen die
künftige Regierung Ferdinands mit all den Befürchtungen, die sich an die letztere knüpften,
richtete, so konnte mich von einer Verständigung nicht die Rede sein. Die Anfrührer
bemächtigten sich selbst der Regierungsgewalt, rüsteten ein ständisches Heer, an dessen Spitze
Graf Heinrich Matthias vvu Thurn, einer der Urheber des Anfstandes, trat und nahmen
auch einen der bedeutendsten Söldnerführer jener Zeit, den Grafen Ernst von Mannsfeld
in ihren Dienst.
Schon unterhandelten die Böhmen mit dein Kurfürsten von der Pfalz wegen der
Übernahme ihrer Krone, schon schlössen sich auch Mähren, Schlesien und Oberösterreich dem
Anfrnhr au, schon näherte sich der Graf von Thurn mit einem Heere den Mauern Wiens;
anch in Jnuerösterreich nnd in Ungarn gährte es, als die Protestantischen Ständemitglieder
Niederösterreichs, Paul Jakob von Starhemberg an ihrer Spitze, in der Hofburg erschienen
und drohend von Ferdinand die Erfüllung ihrer Wünsche forderten. Es schien nicht anders,
als solle das Haus Habsburg im Abgrunde der Revolution versinken. Umso denkwürdiger
war der Angenblick, als dem Erzherzog, der sich in seiner Bnrg muthig weigerte, den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch