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worauf er antwortete: nicht 20.000, wohl aber 50.000. Wallenstein meinte nämlich nach
der Art der meisten Heerführer jener Zeit, daß sich eine Armee durch Erpressung und Beute
um so leichter zu erhalten vermöge, je zahlreicher sie sei. Als Generalissimus des Kaisers
mit ausgedehnten Vollmachten ausgerüstet, ließ er die Werbetrommel rühren, und in vier
Wochen war das Heer beisammen, da Wallenstein nicht auf Religio» und Nationalität,
sondern nur auf Kriegstüchtigkeit und Beherztheit seiner Soldaten sah.
Die Erwartungen, welche sich an ihn knüpften, erfüllten sich glänzend. Wallenstein
schlng bei Dessau den Grafen Mannsfeld und zwang ihn zur Flucht; vereint mit Tilly
vertrieb er den Dänenkönig auf die Inseln und die Herzoge vou Mecklenburg aus ihrem
Laude. Ferdinand gebot plötzlich über eine Macht, wie sie selbst Karl V. in seinen glück-
lichsten Tagen im Reiche nicht zur Verfügung gestanden hatte. Und alsbald knüpften sich
daran die weitanssehendsten Entwürfe; man dachte an einen Wiederaufbau des Kaiferthums
und au eine Wiederherstellung der habsburgischeu Weltherrschaft, uur mit dem Unterschiede,
daß diese ihren Schwerpunkt uumnehr in der deutschen Linie gesnnden haben würde. Schon
führte Wallenstein deu Titel eines „Generals des baltischen und oceanische» Meeres", um
die stolzen maritimen Entwürfe anzudeuten, mit denen man sich damals in Wien und im
kaiserlichen Feldlager trug, denen zufolge die beiden Linien des Hauses Habsburg sich die
Hände reichen sollten, um das verhaßte Holland vom baltischen Meere auszuschließen.
Schon verlautete, man denke Dänemark dem Friedländer, Schweden dem Grafen Schlick
einzuräumen. Anch nach Italien schweifte Wattensteins Blick; auch hier bot der Streit um
Mautua Gelegenheit, alte kaiserliche Rechte uud Lehen einzufordern. Uud so wie damals
von der Kaiserkrönung Ferdinands und von der erblichen Übertragung der deutscheu Krone
an den Sohn des Kaisers die Rede war, so tauchte dann wieder der abenteuerliche Plan
auf, die im Westen siegreich geführten Waffen nach dem Orient zu tragen, Coustautiuopel
zu erobern und das Kaiserthnm in dem umsasseudeu Sinne früherer Zeiten zu erneuern.
Wichtiger als diese ungemesseuen Entwürfe und die Hauptsache war, daß man Wallenstein
Pläne auf den Umsturz der Reichsversassuug, auf die Erhöhung der Kaisermacht und die
Zurückdrängung des Ständeregimentes beimaß und daß gerade jetzt, unter dem Eindrucke
der kaiserlichen Kriegsmacht, die durch Werbungen sich mit jedem Tage vergrößerte, das
Restitutionsediet ersloß, wonach die seit dem Passauer Vertrage eingezogenen Kirchengüter
wieder herausgegeben werden sollten. Für den Kaiser handelte es sich bei diesen Restitutionen
wohl wesentlich um einen Gewinn ideeller Art, um die Sühnung eines Jahrzehnte alten
Unrechts an der katholischen Kirche und um „die Rettung jener vielen hunderttausend
Seelen", die in den gewonnenen Stiften dem Katholicismus zurückgegeben werden sollten,
woran sich weiterhin die Hoffnung auf die gänzliche Beseitigung der religiösen Spaltung
im Siuue der alten Kirche knüpfen mochte; aber indem sich damit auch der selbst von
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch