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genannte Friede eine Scheidemauer zwischen beiden Staatswesen dadurch ans, daß er in
manchen Beziehungen, namentlich in der religiösen Frage, für das deutsche Reich
Bestimmungen traf, die auf Österreich keine Anwendung finden sollten. Wnrde für die
kirchliche Restitution in Deutschland das Normaljahr 1624 angenommen, so hatte der
Kaiser erklärt, lieber Krone und Leben verlieren als für seine Lande die Religionsfreiheit
und die Wiedereinsetzung der Rebellen in ihre eonfiseirten Güter gewähren und dadurch
neue Wirreu heraufbeschwören zu wollen, und wenn er zuletzt wenigstens bezüglich Schlesiens
eine Ausnahme machen mußte, so suchte er doch auch hier dem westfälischen Frieden die
engste Auslegung zu gebe».
Dazu gesellte sich noch ein anderer Umstand. Der letzte Versuch, de» das Haus
Habsburg gemacht, die monarchischen Bestandtheile der Reichsverfassung zn beleben nnd
zusammenzusassen, war gescheitert. Die Centralgewalt war gebrochen. Das Reich löste sich
in selbständige Territorien auf. Überdies keimte aus den feindlichen Erinnerungen des
Krieges eiu wechselseitiges Mißtraue» empor, das den Kaiser nnd die Reichsstände einander
entfremdete und mir mit der Zeit und im Augenblick der Gefahr einer besseren Erkenntniß
zu weichen vermochte. Der Rückschlag auf Österreich blieb nicht ans. Wie alle Bestandtheile
des deutschen Reiches ihre Verbindung mit diesem als dem gemeinsamen Ganzen gelockert
hatten, so war ein Gleiches auch bei Österreich der Fall. Da der Kaiser im Reiche nur dem
Namen nach herrschte, so lag fortan das Hauptgewicht feiner politischen Stellung iu den
eigenen Gebieten. Je höher und einflußreicher nach innen und außen seine Fürstenmacht
auf Gruud der letztere« sich entwickelte, desto nebensächlicher gestaltete sich der Besitz der
Kaiserkrone iu Beziehung ans wirkliche Machtübnng. Der Schwerpunkt Österreichs wurde
durch de« Druck der äußeren Verhältnisse in seine eigenen Lande verlegt.
Denn daran, an der durch den Frieden geschaffenen Form der Reichsverfassung
irgend etwas ändern zu wvllen, konnte nmso weniger gedacht werden, als dieselbe unter
die Garantie der vertragschließenden Mächte Frankreich nnd Schweden gestellt worden
war und die dauernde Ohnmacht des Reiches im Interesse der letzteren lag. Und doch
bedurfte dies altersschwache, in seine Elemente zerfallende Reich mehr als je der schützenden
Hand des Kaisers, da dessen frühere Machtvollkommenheit nun nicht etwa auf das zweite
gemeinsame Organ — den seit 1663 perennirenden Reichstag zu Regensburg — überging,
sondern sich auf die einzelne» Reichsstände vertheilte, welche wechselseitige Eifersucht von
einander trennte nnd von denen keiner mächtig genug war, um den Ervbernngsgelüsten jener
auswärtigen Mächte zu begegnen. Der offensiven Politik Ludwigs XI V. von Frankreich
zu begegnen, war die eine Aufgabe, welche dem Kaiser zufiel. Die zweite, ebeuso schwierige
Aufgabe war die Abwehr jener Gefahr, welche aus den aggressiven Tendenzen der Pforte
erwuchs. Die Lösung beider Aufgaben bildet deu Inhalt der Regierung Kaiser Leopolds I.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch