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Ludwig XIV. nahm das Testament für seinen Enkel an. Am 18. Februar 1701
hielt dieser im Palaste Bnen-Retiro zu Madrid seinen Einzug. Weder auf der pyreuäischeu
Halbinsel, uoch in den Nebenlanden regte sich der mindeste Widerspruch. Wie in Spanien
so wnrde anch in den Niederlanden, in Neapel und Sieilien König Philipp V. ohne
Widerstand proclamirt.
Auch führte die Annahme des Testamentes von Seiten Ludwigs XIV. uicht sofort
zum allgemeinen Kriege. Noch gingen die Ansichten der Seemächte und des Wiener
Hofes auseinander. Was den Seemächten als oberstes Ziel vorschwebte, das war die
Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen den beiden Hauptmächten des Continentes,
Frankreich und Österreich. Die Theilungsverträge hatten den Zweck, die unmittelbare
Vereinigung der gesammteu spanischen Erbschaft mit einer dieser beiden Großmächte zu
verhüten. Derselbe Zweck schien jetzt auf anderem Wege und in anderer Form dnrch das
Testament Karls II. erreicht, welches zwar die gesammte spanische Erbschaft einem
französischen Prinzen vermachte, aber nicht nnmittelbar der französischen Krone übertrug.
Daher nahm man in England und Holland die Thronbesteigung Anjons nicht ungünstig
auf. Man sah über den Bruch des jüngsten Theilnngsvertrages hinweg; über die
Erbitterung Wilhelms lll. trug vorläufig der Wunsch nach Anfrechthaltiing des Friedens
den Sieg davon.
Auch am Wiener Hofe waren die Ansichten über die Successionsfrage getheilt.
Drei Parteien standen sich hier gegenüber, deren Bestrebungen namentlich für die Ziel-
punkte des nachfolgenden Krieges wichtig geworden sind. Der Umgebung des Kaisers
stand theils jener Kreis von Männern, welche unter der Führung Salms sich um de«
hoffnungsvollen römischen König Josef scharten, theils die Partei des jüngeren Erz-
herzogs Karl gegenüber, deren Wortführer Graf Wratislaw war. Wenn diese Partei
daraus ausging, dem Erzherzog Karl die Gesammtkrone Spaniens zu verschaffen, so lag
dem josefinischen Kreise nicht so sehr die Aufrichtung des erzherzoglichen Thrones als
vielmehr die Demüthigung Frankreichs im Allgemeinen am Herzen, wobei der Erfolg der
Waffen darüber entscheiden mochte, wie viele nnd welche Stücke der spanischen Erbschaft
man den Bonrbons entreißen werde. Die Partei Karls faßte mehr das Interesse der
Dynastie, jene des römischen Königs mehr das des Reiches ins Ange, da sie sich von
einem siegreichen Kriege gegen Frankreich anch eine günstige Rückwirkung auf die deutschen
Reichsangelegenheiten versprach. Beide Interessen faßte der Kaiser zusammen, indem er
für seine Person an dem Ansprüche auf das ganze spanische Erbe als einem, wie er meinte,
ihm von Gott selbst verliehenen Rechte festhielt. Daher legte Leopold gegen das spanische
Testament Verwahrung ein und sammelte ein Heer, das in das Mailäudische einrücken
sollte; denn da der Kaiser noch ohne mächtige Bnndesgenossen dastand, so mnßte er seine
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch