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an das Ganze, und so wie er von seinen Unterthanen unbedingten staatlichen Gehorsam
verlangte, so forderte er von den Beamten das Hineinleben in die von ihm vorgezeichnete
Idee des Staates nnd prägte in dem sogenannten „Hirtenbriefe" von 1783 auch den
Länderchefs ein, daß die Liebe des Allgemeinen Alles beleben müsse.
Durch das Streben nach Centralisation der Geschäfte ließ sich Josef verleiten, die
von seiner Mutter durchgeführte Scheidung der Finanzverwaltung von der politischen
Administration wieder zu beseitigen; ja er hätte auch die Justiz damit verbunden, wenn
nicht doch die vom Staatsrathe dagegen vorgebrachten Gründe ihn davon abgebracht hätten.
Auf dem Gebiete der Rechtspflege war Josefs vorwaltender Gesichtspunkt: die Gleichheit
Aller vor dem Rechte. Kaum dürfte es je einen Herrscher gegeben haben, der den Grundsatz:
Reichsrecht bricht Laudrecht, so nachdrücklich geltend zu machen suchte.
Aber Josef verstand jene Gleichheit nicht nur im Sinne der gleichmäßigen und
unbedingten Giltigkeit der Gesetze für alle Proviuzeu, sondern auch für alle Stände des
Reiches. Österreich verdankte ihm eine Reihe legislatorischer Arbeiten: das allgemeine
bürgerliche Gesetzbuch, dessen erster, das Personenrecht behandelnde Theil 1786 erschien,
während der zweite uud dritte, das Sachen- und die gemeinsamen Bestimmungen des
Personen- und Sachenrechtes enthaltende Theil wohl vollendet, aber von Leopold II.
nicht sanctionirt worden ist, das Strafgesetzbuch von 1787 und die allgemeine Gerichts-
ordnung von 1788. Durch das bürgerliche Gesetzbuch, als dessen Vorläufer das Eherecht
von 1783 und die Erbfolgeordnung von 1786 zu betrachten sind, wurden manche Principien
der Persönlichkeit zur Geltung gebracht, welche selbst in Frankreich erst später, im Beginne
der französischen Revolution, in dem Elaborate über die allgemeinen Menschenrechte zu
legislatorischer Forniuliruug gelangt sind. Dnrch das josefinische Strafgesetzbuch weht
im Gegensatze zu den vielfach «och harten Bestimmungen der Theresia»» ein durchaus
humaner Geist, der nicht so sehr in der unter dem Einflüsse der Theorien Beccarias
erfolgten Beschränknng der Todesstrafe anf einige wenige Fälle, sondern mehr noch iu der
milderen Anschauung über den Begriff des Verbrechens im Allgemeinen und im Besoudereu
sich ausspricht. Freilich hatte die Abschreckungstheorie, der Josefs Kriminalistik huldigte,
auch manche Härten zur Folge, die theils iu der Verschärfung der Ehren- nnd Kerker-
strafen (Gassenkehren und Schiffziehen, Anschmieden der Verbrecher), theils in deren
gleichmäßigen Verhäugung über alle Verbrecher ohne Unterschied lag, die zwar dem
obersten Principe dieser Strafgesetzgebung entsprach, aber dnrch die auf die Spitze getriebene
Anwendung desselben zuweilen Recht iu Unrecht verwandelte.
Die volkswirtschaftlichen Ansichten Josefs hängen mit seinen politischen Grundsätzen
enge zusammen. Vielfach erinueru sie an Sonnenfels, für den bereits Maria Theresia den
Lehrstuhl der Finanz- nnd Polizeiwifsenschasten an der Universität Wien errichtet hatte.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch