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So neigte Josef zu dessen Ansichten über die Ersprießlichkeit der Volksvermehrung für den
Volkswohlstand hin; namentlich stehen das josefinische Ehepatent und die Begünstigung
der Einwanderung zur Hebung der Industrie und der Bodencolonisation unter dem
Einflüsse dieser Theorie, die sich auch um der Rekrutirungszwecke willen des kaiserlichen
Beifalls erfreuen mußte. Bezüglich des Handels und der Gewerbe stand Josef noch auf
dem Boden des alten mercantilistischen Prohibitivsystems, in der Landwirthschaft war
er Physiokrat. Der kaiserliche Ackersmann, der, um den Ackerbau zu ehren, zu Slawikowitz
in Mähren einst selbst den Pflug geführt, schloß sich der von Quesuay begründeten, zu
seiner Zeit besonders von Tnrgot vertretenen Lehre an, daß Grund und Boden als die
eigentliche Quelle des Nationalreichthums zu betrachten seien. Da aber die Productious-
kraft nicht in dem geschlossenen Gütercomplexe, sondern, wie auch Sonnenfels lehrte, in
der Kleinwirthschaft lag, so galt es vor Allem, den Stand der Bauern zu heben. Daher
sprengte Josef die Fesseln der Leibeigenschaft, indem er sie da, wo sie noch bestand,
nämlich in Böhmen. Mähren, Krain, Galizien, Ungarn und Vorderösterreich, aufhob
(1. November 1781) und an ihre Stelle eine durch das Unterthanenpatent und das Straf-
patent gemäßigte Unterthänigkeit der Hintersassen mit dem Rechte der Freizügigkeit und
mit Beschränkung des Strafrechtes der Gruudherreu setzte. Zugleich wurde den Bauern das
Recht eingeräumt, gegen ein angemessenes Entgelt, jedoch ohne Aufhebung ihrer sonstigen
bisherigen Leistungen an die Herrschaft, wahres Eigenthum an Grund und Boden zu
erwerben, die Parcelliruug allzu großer Bauerngüter begünstigt, anderseits aber durch das
Erbfolgepatent der allzu großen Zersplitterung derselben entgegengewirkt.
Vor Allem aber strebte Josef die Aufhebung der Unterschiede an, welche noch Maria
Theresias Regierung zwischen dem Herrschafts- (Dominica!-) und dem Rusticalbesitze hatte
bestehen lassen. Der Gruudsteuerregulirung Josefs zufolge sollte fortan Grund und Boden
ohne Unterschied des Standes des Eigenthümers gleichmäßig und nur nach dem durch den
Kataster zu bestimmenden Umfang und Ertrag besteuert und fortan nur dreißig Percent —
und zwar mit Einschluß der landesfürstlichen Steuer— von dem Grundertrage des Bauern
erhoben werden.
Die Grundstenerregulirung Kaiser Josefs wurde nach dessen Tode wieder auf-
gehoben; auch konnte er mit seinem Robot-Abolitionspatente nicht durchdringen. Dennoch
gebührt Josef, nach dem Ausspruche eines geistvollen Nationalökonomen der Gegenwart,
der Ruhm, „das große Princip der allgemeinen und gleichen Besteuerung zuerst unter allen
Regierungen Deutschlands und vor der französischen Revolution ausgesprochen zu haben,
klarer, als dies je in Frankreich oder Deutschland in einem Gesetze geschehen ist". Auch
wurde mit der Durchführung jener Steuerreform zugleich der hochwichtige Zweck einer
allgemeinen Klarstellung und Sicherung des unbeweglichen Besitzes durch die Anlegung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch