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der Censur nur der von Josef überhanpt geforderten und geförderten literarischen Richtung
Vorschub, als deren Chorage vielfach Sonnenfels zu betrachten ist und deren poetischer
Ausdruck Blumauers Äneis war, während die Erörterung politischer Fragen doch auch
jetzt noch manchen Beschränkungen unterlag. Bei alledem ist Kaiser Josef, der selbst die
nicht seltenen Angriffe der Tagesliteratur auf seine eigene Person mit stoischem Gleichmuthe
ertrug, der Schöpfer der öffentlichen Meinung in unseren Landen, der edle Ritter, der das
Dornröschen Österreich zum ersten Male aus langjährigem Geistesschlummer weckte.
Und bei aller praktischen Nüchternheit, die sonst den Kaiser charakterisirt, war es
doch wieder er, der das Theater an der Burg zum Hof- und Nationaltheater erhob, und
nicht minder verdankte ihm manche Anregung die Kunst, welche er selbst in Muße-
stunden übte und die damals gerade in Österreich Haydn und Mozart zu unsterblichem
Glänze erhob.
So wie Josef Österreich nach innen zu einigen und zu kräftigen suchte, so war er
zugleich darauf bedacht, dasselbe nach außen hin als ein fest abgegrenztes Ganze hinzu-
stellen. Nicht so unwahrscheinlich ist es daher, wenn von der Absicht Josefs berichtet wird,
alle seine Staaten zu einem administrativen Ganzen, genannt Monarchie, zusammenzufassen
und den Titel eines erblichen Kaisers von Österreich anzunehmen. Auch die Idee der Ein-
verleibung Toscanas steht damit in Zusammenhang. Gerade die zunehmende Auflockerung
der Bande, welche Österreich und das deutsche Reich miteinander verknüpften, konnte Josef
zu derartigen Entwürfen bestimmen.
Zwar hatte auch im deutschen Reiche der Regierungsantritt Josefs große Erwar-
tungen angeregt. Mit warmer Theilnahme wurde, wie Goethe als Augenzeuge schildert,
der schöne Jüngling bei seiner Krönung als römischer König begrüßt. Klopstock widmete
ihm die Hermannsschlacht und Herder forderte ihn, „das Oberhaupt von neunundneunzig
Fürsten" auf, dem Volke zu geben, wonach es dürste, ein deutsches Vaterland mit einem
Gesetze, einer Sprache und redlicher Religion, auf daß er vollende, was Friedrich gesehen,
aber nicht befördert habe. Und wirklich machte Josef den Versuch, wenigstens die höchsten
Organe der Reichsverwaltung aus ihrer Starrheit aufzurütteln. Aber nur zu bald kehrte
er ermattet vor den anfgethürmten Actenbergen des Kammergerichtes und des Reichshof-
rathes um. Die Hauptsache aber war, daß der Zusammenhalt des Reiches durch die Feind-
schaft Friedrichs II. gegen Österreich und durch die neue Stellung, welche er Preußen
gegeben hatte, zerfallen und nicht vorauszusehen war, wie die föderativen Einrichtungen des
Reiches sich weiterhin von innen heraus entwickeln würden.
Namentlich durch den Verlust Schlesiens hatte Österreich an Macht und Einfluß
in Europa wie im Reiche ebensoviel eingebüßt, als Preußen durch die Erwerbung dieses
Landes an Ansehen und Bedeutung gewonnen. Diesen Verlust in irgend einer Weise — sei
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch