Seite - 198 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
Bild der Seite - 198 -
Text der Seite - 198 -
198
Pläne; doch diese sollten erst in späterer Zukunft zur Reife gedeihen, während Katharina
schon jetzt darauf ausging, die Früchte des Vertrages zu eruteu.
Katharina nahm den Ausbruch vou Unruhen in der Krim znm Anlaß, um für den
Fall, daß es zum Kriege mit der Pforte und zur Zertrümmerung dieser Macht kommen
würde, die Errichtung von zwei Reichen in Vorschlag zu bringen: eines griechischen Kaiser-
thums iu Coustantinopel für ihren Enkel Constantin und eines dacifcheu Reiches, das
ebenfalls unter einem griechisch-glänbigen Fürsten Moldau, Walachei und Bessarabieu
umfassen sollte. Josef ging scheinbar auf das Project ein, indem er als Compeufation außer
Choezim die kleine Walachei, Belgrad, Orsova uud Widdin sowie das veuetiauische Küsten-
gebiet verlangte, wogegen Venedig auf Morea uud im Archipel entschädigt werden sollte.
Aber daneben gab er doch auch den Bedenken Ausdruck, die sich gegen ein soweit aussehendes
Unternehmen erhoben, und sprach den Wunsch uach dessen Vertagung aus, und als nun
Katharina auf eigene Faust zugriff uud sich der Halbinsel Krim bemächtigte, benützte dies
Josef, um als Gegendienst für die Bereitwilligkeit, mit der er die Forderungen der Kaiserin
bei derPsorte unterstützte, Rußlands Beistand für sein baierisches Tauschprojeet in Anspruch
zu uehmen.
Der Zustimmung Frankreichs und Rußlands, wie er meinte, gewiß, schien Josef
das vorgesteckte Ziel um so eher erreichen zu sollen, als der Kurfürst Karl Theodor, der
sich als Fremder in Baiern nicht heimisch fühlte, nicht abgeneigt war, sich dieses Landes
dnrch einen vortheilhaften Tausch zu entledigen. Da war es zunächst der Kaiser selbst, der
die Angelegenheit dadurch verwickelte, daß er in dem Augenblicke, in welchem er über die
Abtretung der Niederlande verhandelte, durch die Aufhebung der BarriSre und durch den
Versuch gewaltsamer Sprengung der Scheldesperre, die allerdings bisher den Lebensnerv
des belgischen Handels nnterbnnden hatte, einen Streit mit Holland entzündete, der zn
offenem Kriege zu führen drohte. Zwar nahm Josef die angebotene Vermittlung Frankreichs
in diesem Streite an und benützte den Zwischenfall, um die Paeificatiou mit Holland, welche
Frankreich wünschte, zum Preise der Unterstützung desselben bei dem baierisch-belgischen
Tanschgeschäfte zu machen. Aber bald erhob sich gegen die Pläne Josefs ein Widerstand,
der zugleich den Keim der späteren Spaltung Deutschlands in zwei feindliche Lager enthielt.
Friedrich II. von Prenßen, der sich in seinen alten Tagen durch die Politik Josefs II.
allseitig überflügelt sah und die Wiederherstellung der ihm feindlichen Allianz besorgte,
die einst den Ausbruch des siebenjährigen Krieges herbeigeführt hatte, schloß zunächst mit
Hannover uud Sachsen Vereinbarungen ab, die sich dann durch die „Accession" der meisten
kleineren geistlichen und weltlichen Fürsten Dentschlands zu jeuem sogeuanuteu Fürsteu-
buude (1785) erweiterten, der den Kaiser znm Aufgebe» des Tauschplanes und im Frieden
mit Holland znm Verzicht anf seine Forderungen zwang.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch