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stand, mußten die Ideen des Kaisers Josef von Staat und Sonveränetät in principiellen
Conflict mit den Ansprüchen des gesammten Adels gerathen, der an seinen alten Vorrechten,
namentlich der Steuerfreiheit festhielt. Hatte schon die Unterlassung der Krönung, die
Beseitigung des Landtages und die Einführung der deutschen Sprache in Amt und Gericht
den übelsten Eindruck auf ein Volk gemacht, das an der Stefanskrone mit schwärmerischer
Verehrung hing und in dem sich das Gefühl der Nationalität auf das lebeudigste regte, so
war dies in noch weit höherem Grade der Fall, als Josef eine Volkszählung (Conscription)
und Häuseruumerirung anordnete, die man nur als die Vorläuferin einer bevorstehenden
allgemeinen Rekrntirnng ansah, als er ferner bei dem großen Widerstande, auf den seine
Maßregeln in den Comitaten stießen, die Comitatsverfaffung aufhob, die Comitats-
verfammlungeu untersagte, das Land in zehn Districte theilte und endlich mit Aufhebung
der bisherigen Steuerfreiheit des Adels sein neues Steuersystem auch in Ungarn durch-
zuführen suchte. Eine tiefe Gährnng durchdrang das ganze Land, und während der Adel,
trotz des Verbotes, in stürmischen Versammlungen Klagen und Gegenvorstellungen erhob,
brach in Siebenbürgen ein furchtbarer Aufstand der walachifchen Bauern unter Horja gegen
die adeligen Grundherren aus, der zwar gewaltsam unterdrückt wurde, dessen Schuld mau
aber doch den Urbarialreformen des bauernfreundlichen Kaisers beimaß. Noch ernster
gestalteten sich die Dinge in Belgien. Richtete sich in Ungarn der Widerstand gegen die
politischen Ideen des Kaisers, so waren es in Belgien zuvörderst die religiösen Reformen,
an denen sich der Widerstand des Volkes entzündete, und ging in Ungarn die Bewegung
von dem hohen und niederen Adel aus, so war es in Belgien vor Allem der dritte Stand,
der sich zur Vertheidigung der ekarta, des Landes — der sogenannten
enkree — erhob. Die Klösteraufhebung und die Errichtung des Generalseminars in Löwen,
sowie der Versuch, die ganze Civilverwaltung und Rechtspflege umzugestalten, gaben znr
Unzufriedenheit, zu Uuruheu und endlich zu einem Anfrnhr Anlaß, der, durch die niedere
Geistlichkeit geschürt, von den Nachbarmächten (Preußen und Holland) begünstigt, von den
Advocaten van der Noot nnd Vonck geleitet, von van der Mersch militärisch organisirt,
immer größere Dimensionen annahm nnd, von Josef vergeblich mit Waffengewalt bekämpft,
den gänzlichen Abfall der Niederlande herbeiführte.
Es war unter diesen Umständen geradezu verhäuguißvvll, daß Josef au dem Kriege
zwischen der Pforte und Rußland nicht blos, dem Bündnisse von 1781 gemäß, mit einem
Hilfscorps theilnahm, sondern es vorzog, Österreich als selbständige Macht auftreten zu
lassen und seinerseits den Türken den Krieg zu erklären. Josef selbst begab sich auf de»
Kriegsschauplatz in das südliche Ungarn, wo er voll Muth und Entschlossenheit alle
Beschwerden des Kampfes theilte. Aber der von Lach geleitete erste Feldzug (1788)
mißlang. Wohl besetzte am linken Flügel Prinz Josias von Coburg «ach der Einnahme
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Band 3
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Band
- 3
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.64 x 22.39 cm
- Seiten
- 278
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch