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reiche wird beschämt. In der anderen Ballade bekundet die Composition eine echt
künstlerische Empfindung. Das Mädchen heiratet einen armen Hauerburschen und ihre
Mutter einen putzigen Schneidergesellen; jede Strophe erzählt, wie gut es der Mutter geht
und in welcher Armuth die Tochter lebt, wobei der Kehrreim immer lautet: „Meiner
Mutter Freude ist das schmucke Schueiderleiu, aber mir zum Leide dient der arme Hauer
mein." Die letzte Strophe lautet dann:
„Mit dem Stock die Mutter weckt das schmucke Schueiderleiu,
Mich mit Täubchenkuß der arme Hauerbursche meiu,
Mir zur Freude war der arme Hauerbursche mein,
Mütterchen zum Leide war das schmucke Schneiderlein."
Wenn wir die Sammlungen magyarischer Volkspoesie durchgehen, welche freilich
noch immer sehr lückenhaft sind, erkennen wir, daß die Volksdichtung von dem wirklichen
literarischen Niveau durch uichts getrennt ist, denn während jene in ihrer allgemeinen
Färbung den Schmelz der wahren Poesie ausweist, haben hinwiederum auch unsere hervor-
ragenderen Dichter selber der Volksdichtung den in dieser herrschenden rhythmischen
Wohllaut, die Assonanz, die Vorreime abgelernt, sowie die Anwendung von Bildern aus
der Natur, die mit wenigen Worten vielsagende Gedrängtheit des Ausdrucks, die plötzlichen
Wendungen des Gedankenganges und so fort, so daß man wohl sagen kann, es habe bei
uns der Helikon vom Felde gelernt, und neben unseren berühmten Dichtern steht ein
Dichter großer als sie alle: das Volk, namenlos und doch unsterblich!
Die magyarischen Sprichwörter.
Zu den Geisteserzeugnissen des Volkes gehören anch noch die Sprichwörter. Diese
enthalten die Lebensweisheit des Volkes, seine höchsten Lebcnsgrnndsätze, die Ergebnisse
seines Sinnens und Denkens. Echt sind diejenigen, welche eine regelrechte Form haben.
In solchen haben Geist uud Gemüth vereint ihre Prodncte niedergelegt. Es sind dies zwei
oder mehrere entsprechende Sätze oder Redensarten, mit einem gewissen Rhythmus und
Wohlklang ausgeprägt. Was formlos ist, daran haben Gemüth und Schönheitssinn kein
Theil, es ist uur übernommen worden oder nur einseitiges Werk des Verstandes.
Charakteristisch sind in ihnen die sittlichen und sonstigen Anschauungen des Volkes.
Sie bezeugen, ans welche Art das Volk znm Beispiel sein eigenes menschliches Verhältniß
aufgefaßt hat.
Schlage» wir nur iu unseren Sammlungen das Wort „Mensch" auf: „Mensch
und Mensch gehören zusammen" (können nicht ohne einander sein); — „Mensch und
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch